Magie der Maschine

1968 Konrad Klapheck: Die gefräßige Zeit

Die Ölgemälde, die der Düsseldorfer Maler Konrad Klapheck (Jahrgang 1935) zur documenta 4 eingereicht hatte, trugen bedrohlich und fremdartig klingende Titel: „Der Herrscher“, „Der Krieg“, „Der Harem“, „Die Kapitulation“ und „Die gefräßige Zeit“. Auf den ersten Blick schienen die unterschiedlichen Titel zu den gleichartigen Bildern nicht so recht zu passen. Vor intensiven Farbflächen sah man stilisierte Maschinen. Man sah keinen Herrscher und keine Haremsdamen, keine Soldaten und keine Niederlage. Am ehesten ließ sich bei der „gefräßigen Zeit“ ein Bezug zum Titel herstellen, weil die runde Lochscheibe mit den beiden Zeigern links unten an eine Uhr erinnerte. Ansonsten sieht man ein massives Bohrgerät vor sich, das einen überraschend zart wirkenden Bedienungshebel besitzt.

Das Eigenartige an Klaphecks Bildern ist, dass die dargestellten Maschinen so exakt gemalt sind und so technisch wirken, dass sie die Gegenständlichkeit in einer geradezu aufdringlichen Weise in die Malerei zurückbringen und dass sie trotzdem fremd und unwirklich erscheinen. Der magische Realismus, der sich in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte, gewann bei Klapheck eine neue Qualität.

Die Maschinen (meist Schreib- oder Nähmaschinen, Telefone und Duschen) sind aus den räumlichen Bezügen herausgelöst. Gleichwohl gelingt es dem Maler, die Bilder räumlich anzulegen, ihnen Tiefe zu geben und dadurch seine Motive zu monumentalen Monstern werden zu lassen. Ja, sie wirken übermächtig und bedrohlich, noch kälter als Maschinen gemeinhin begriffen werden. Die Magie ist stark. Das Reale wird vom Surrealen überlagert.

Warum verschreibt sich ein Künstler sein Leben lang solchen Motiven, die anscheinend keine Emotionen zulassen? Nun, in dieser Hinsicht täuscht Klapheck die Betrachter. Die Bilder sind voller Emotionen. Nur hat der Maler sie genauso stilisiert, diszipliniert und verfremdet wie die von ihm gemalten Maschinen. Ängste und Gewaltvorstellungen sowie Träume und Hoffnungen sind in den Bildern verarbeitet. Nicht allein die bedrohlich wirkenden Apparaturen weisen darauf hin. Eine noch direktere Sprache sprechen die Titel. Die technischen Monumente haben für Stellvertreterfunktion. Sie sind Symbole für unverarbeitete Konflikte und Sehnsüchte.

Konrad Klapheck hat den Weg zu dieser Deutung selbst gewiesen, ja, er hat die Entscheidung für seine künstlerische legendenhaft kultiviert: 1955 als Kunststudent von Bruno Goller aufgefordert, ein Stillleben zu malen, entschied sich Klapheck für sein erstes Schreibmaschinenbild. Das war ein Protest gegen den Geist der Zeit, die die abstrakte Kunst propagierte. Goller hatte zwar den Bezug zum Gegenständlichen nicht aufgegeben, ihm war allerdings die Strenge, Kühle und Plastizität der Klapheckschen Bilder fremd.

In einem Text schrieb Klapheck 1963 zu seinen Bildern: „Die Schreibmaschine, dieses Instrument, auf dem die wichtigsten Entscheidungen unseres Lebens gefällt werden, ist bei mir männlichen Geschlechtes. Sie ist stellvertretend für den Vater, den Politiker, den Künstler. Die Nähmaschine, die Helferin im Bedecken unserer Blöße, ist weiblich. Sie erscheint als Braut, Mutter und Witwe…“ An anderer Stelle sagte Klapheck: „Mit Hilfe der Maschine konnte ich die Dinge aus mir herausziehen, die mir bis dahin unbekannt waren, sie zwang mich zur Preisgabe meiner geheimsten Wünsche und Gedanken.“ Das wurde schon in der documenta III deutlich, als er Bilder mit Titeln wie „Die Sexbombe und ihr Begleiter“, „Patriarchat“ und „Die Mütter“ in der Abteilung „Aspekte 1964“ vorstellte.

Klaphecks magisch-symbolische Malerei eröffnete einen Sonderweg. Als seine Bilder 1968 in der documenta gezeigt wurden, erschienen sie dank der Pop-Art nicht so außergewöhnlich. Allerdings hatten sie mit den Pop-Werken nur die Quelle gemein: Auch Klapheck fand die Vorlagen in der Werbewelt – in Anzeigen.

Aus: Meilensteine 1-12

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