Vom Kampf der Frau

1977 Ulrike Rosenbach: Herakles – Herkules – King Kong

Die Frauenbewegung erreichte, dass in den 70er-Jahren auch innerhalb der Kunst bewusst gemacht wurde, wie klein und überschaubar der Anteil der weiblichen Künstler war. Wie in der Literatur meldeten sich in der Kunst feministische Künstlerinnen zu Wort, die die Rolle der Frau und das von ihr in der Gesellschaft verbreitete Bild thematisierten.

Ulrike Rosenbach war eine Künstlerin, die sich mit großer Konsequenz in Performance-Auftritten und Video-Arbeiten diesen Fragen zuwandte. Gleichzeitig war sie in Deutschland eine der ersten Künstlerinnen, die entscheidend zur Entstehung eines neuen Werktypus beitrug – zur Video-Installation und Video-Skulptur. Die Video-Kunst hatte 1972 ihren Einzug in die documenta gehalten. Doch in der Anfangszeit hatten sich die Arbeiten auf die Präsenz von Monitoren und das Abspielen von Filmen konzentriert.

Fünf Jahre später gab es innerhalb der documenta eine umfangreiche Videothek, in der man sich auf Wunsch Filme vorführen lassen konnte. Daneben waren innerhalb der Ausstellung einige wenige Räume zu erleben, in denen die Monitore mit ihren Videobändern in bildliche und plastische Zusammenhänge integriert waren. Die Videos wurden also Teile größerer Werkkomplexe und die projizierten Filme hatten ihren festen Ort. Der Video-Pionier Nam June Paik hatte mit seinem Video-Dschungel (Monitore zwischen Pflanzen) eine solche Arbeit geschaffen. Auch Ulrike Rosenbach gelang eine überzeugende Installation.

Unter den Dachschrägen des Fridericianums hatte sie an der Stirnwand eine Reproduktion des Kasseler Wahrzeichens, des Herkules, angebracht. Herkules (griechisch: Herakles) gilt seit der Antike als der unbesiegbare Held, der Kraftprotz. Dass die Fürsten in ihm auch den Tugendheld sahen, wurde weniger wahrgenommen. Der nach seinen Taten ausruhende Held wirkt übermächtig. Allerdings erschien er in dieser Raumsituation, in der Einengung durch die Dachschräge, auch ein wenig wie ein Gefangener.

In die Wand hatte Ulrike Rosenbach einen Monitor eingelassen. Von weitem sah es so aus, als habe sich Herkules das Gerät unter den Arm geklemmt. In dieser Konstellation begegneten sich Antike und Moderne: Der Halbgott Herkules, der für eine männlich dominierte Welt stand, trug einen Bildschirm bei sich, auf dem das Bild einer Frau (der Künstlerin) zu sehen war, die ständig das Wort „Frau“ hauchte.

Ulrike Rosenbach verdeutlichte damit, dass das Verhältnis von Mann und Frau wie das von Goliath zu David sei. Es schien unmöglich, gegen die Übermacht anzukommen. Gleichwohl machte das Video klar, dass die Frauen nicht länger bereit waren, den Kampf aufzugeben.

Die Installation setzte sich auf einer Nachbarwand fort, wo Bildtafeln und ein zweiter Monitor zu sehen waren. Dort erweiterte sich das Thema. Ulrike Rosenbach illustrierte darin, in welchem Zusammenhang sie den Helden Herkules sah. Für sie war er der Gewaltmensch, den sie in eine Reihe mit den Riesen und Ungeheuern wie King Kong stellte.

Die Arbeit war stimmig aufbereitet, ihre Botschaft kam überzeugend an. Ulrike Rosenbach hatte mit dieser Arbeit aber auch einen Weg in eine neue Installationsform gewiesen: Das Werk expandierte in den Raum, um den Betrachter zum Erleben einer Abfolge einzuladen. Fotografie, Video und Text ergänzten sich gegenseitig und hatten nach einem didaktischen Prinzip einen festen Platz innerhalb der Gesamtkonzeption. Der didaktische Aufbau drängte sich jedoch nicht in den Vordergrund. Denn die Künstlerin hatte es verstanden, die einzelnen Teile so einander zuzuordnen, dass sie sich gegenseitig erläuterten und einer Belehrung für Texte nicht bedurften. Ulrike Rosenbachs Beitrag war im übrigen eine der ersten documenta-Arbeiten die sich auf den Ausstellungsort, auf Kassel und seine Geschichte, bezogen.

Aus: Meilensteine – documenta 1-12

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