Der Künstler vor dem Spiegel

Max Beckmann vor 100 Jahren geboren

An den Maler Max Beckmann muß man nicht erinnern, der wird ohnehin gefeiert. Die Stadt Frankfurt, in der er zwischen 1933 und 1945 wichtige und erfolgreiche Jahre verbracht hat, zeichnet an Beckmanns morgigern 100. Geburtstag den amerikanischen Maler Willem de Kooning mit dem Max-Beckmann-Preis aus; am selben Tag geht dort eine Ausstellung über Beckmanns Frankfurter Zeit zu Ende. In Hannover zeigt das Kunstmuseum mit Sammlung Sprengel noch bis 19. Februar seinen umfangreichen Beckmann-Besitz. Ab 25. Februar wartet das Münchner Haus der Kunst mit einer internationalen Werkübersicht auf, die Mitte Mai nach Berlin weiterwandert. Und schließlich ehrt die Kölner Kunsthalle den Künstler ab 19April mit einer großen Ausstellung.

Unter den deutschen Expressionisten war Max Beckmann immer einer der erfolgreichsten und populärsten. Im Ausland gar, vor allem in den USA, wo er von 1947 bis zu seinem Tod am 27. Dezember 1950 lehrte und arbeitete, gilt er als der deutsche Expressionist schlechthin. Die Kantigkeit seines späten Malstils, seine erzählerische Neigung sowie sein Hang zum Mythischen und Symbolischen mögen dazu beigetragen haben.

Hier soll nun nicht der Versuch unternommen werden, das allgemein verbreitete Bild von dem Maler nachzuzeichnen, der die Welt als ein riesiges Theater begriff, in dem Lust und Leid, Folter und Freude, Martyrium und Maskerade so dicht beieinander liegen. Vielmehr soll der Blick auf eine Besessenheit des Malers und Zeichners gelenkt werden, die vielleicht überhaupt einer seiner Urtriebe für bildnerisches Arbeiten war – die Versuchung und der Zwang, sich vor den Spiegel zu setzen, um die eigenen Wesenszüge zu erfassen.

Beckmanns Biographen berichten, daß sich seit Rembrandt kein Künstler so oft und so eindringlich selbst porträtiert habe (Horst Janssen hat da mittlerweile wohl neue Maßstäbe gesetzt). Manchmal sieht sich Beckmann als einen Teil des Welttheaters, des ewigen Rummels, und läßt sich als Clown oder Ausrufer auftreten. Meist aber blickt er voller Ernst und Konzentration auf den Betrachter oder an ihm vorbei.

Max Beckmann, so scheint es, hatte von Jugend an ein klares Bild von sich und wie er gern gesehen werden wollte. Schon das Ölbild, das er als 15jähriger von sich malte, zeigt ihn wach, aber verschlossen, selbstbewußt, ja herablassend. Mit Vorliebe blickt er zu sich hoch, so daß sein Porträt wiederum meist nach unten gewendet ist. Dieser Zug ins Herrische erreicht seinen grandiosen (und zugleich erschreckenden) Höhepunkt in dem 1927 entstandenen Selbstbildnis mit Smoking“: Der Künstler ist zum erfolgreichen Bürger, zum Kunst-Unternehmer geworden, der überlegen und selbstzufrieden dreinblickt und keine Selbstzweifel mehr kennt. Ein geradezu gewalttätiges Bild.
Der unbeirrte, bisweilen sogar arrogante Blick des von der eigenen Begabung überzeugten Künstlers prägt sich zwar schnell ein, ist aber nicht ohne Konkurrenz. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er als Sanitäter einen Nervenzusammenbruch erlitt, sieht er sich auch als nachdenklichen oder sogar verzweifelten Zeitgenossen.
Einmal, 1920, tritt er sich und dem Betrachter ganz anders gegenüber – mit einem ironisch gelösten Blick übt er die joviale Bürger-Pose. Von hier aus läßt sich ein Bogen schlagen zu dem Selbstbildnis von 1946, das ihn (nach den dunklen Jahren der Bedrängung und Verfolgung durch die Nazis) zwar immer noch als entschieden visionären und konzentrierten Künstler zeigt, aber doch gelockert, geläutert und menschlich gestimmt.
Selbstliebe und Selbstkritik fließen in diesen Bi1dern zusammen. Max Beckmann empfand aber auch sein Porträt als ein Requisit – wie den Fisch, die Katze oder Lampe -‚ das er als fertige, vorgefundene Form beliebig in Kompositionen einbauen konnte. Da kannte er sich halt aus.

HNA 11. 2. 1984

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