Ausstellung Thomas Bachler in Göttingen
Werke von Kasseler Künstlern sind im Göttinger Künstlerhaus zu besichtigen. Nachdem Angela Hiss ihre Holzskulpturen gezeigt hatte, sind dort nun Fotoarbeiten von Thomas Bachler zu sehen. Obwohl die Bilder dem ersten Anschein nach nichts Bedeutendes erzählen, stecken in ihnen spannende Geschichten; sie öffnen einen neuen Zugang zur Wirklichkeit und erzählen eine Menge über die Fotografie. Eine außerordentlich sehenswerte Ausstellung, die von einem schönen und informativen Katalog (20 Mark) begleitet wird.
Bachler studierte in Kassel experimentelle Fotografie bei Floris Neusüss und hat mittlerweile selbst einen Lehrauftrag. Er hat sich der Arbeit mit Lochkamera (Camera obscura) verschrieben, die nach einem einfachen Prinzip funktioniert: Durch ein Loch bildet sich in einem dunklen Raum die Außenwelt (spiegelverkehrt) ab. Der Raum kann aus einer Trinktüte, einer Kiste, einem Zimmer oder einem verdunkelten Auto bestehen.
Gegenüber der Fotografie mit einer Linse haben die dabei entstehenden Lichtbilder den Nachteil, dass sie keine Motive herausfiltern, sondern alles gleichmäßig abbilden – mit Unschärfen in Randbereichen. Bachler wandelt den Nachteil in einen Startvorteil um und gelangt so zu erstaunlichen An- und Einsichten: Landschaften erleben wir als poetische Bilder eines Impressionisten; die Lochkamera auf dem Fensterbrett ermöglicht es uns, die Innen- und Außenwelt in einem Bild zu betrachten; und die Dauerbelichtung während einer Autofahrt rückt im Hell-Dunkel-Kontrast den Zielpunkt in weite Ferne.
Normalerweise ist der Lichtstrahl, mit dessen Hilfe die Außenwelt abgebildet wird, nicht sichtbar. Bachler aber gelingt es, mit Hilfe von Zigarettenrauch den Strahl einzufangen und ihn so dinglich erscheinen zu lassen, dass er mit ihm spielen kann. In anderen Versuchsreihen nutzte er seinen leicht geöffneten Mund als Kamera oder entwickelte abenteuerlich erscheinende Geschichten. Der Wirklichkeit werden auf diese Weise immer neue Aspekte abgewonnen.
HNA 21. 7. 2001