Francis Bacon, der wohl wichtigste zeitgenössische englische Maler, ist 82jährig während seines Urlaubs in Spanien einem Herzinfarkt erlegen.
Kaum ein anderer Maler unseres Jahrhunderts hat so konsequent das Leiden und die Isoliertheit des Menschen thematisiert wie der Engländer Francis Bacon. Es ist, als hätte dem Maler die Abbildung der leidenden und geschundenen Kreatur nicht genügt, als hätte er sie noch zusätzlich sezieren und dann herausfordernd den Blicken der Voyeure ausliefern müssen. Francis Bacon hat in immer neuen Folgen Schreckensbilder des Menschen entworfen – Figuren, die zu Fleischbergen verformt werden und Gestalten, die ihre Konturen und Gesichtszüge verlieren. Bacon hat einmal gesagt, seine Malerei bestehe eher darin, Gefühlsräume aufzutun als Gegenstände abzubilden.
Diese Gefühlsräume waren in seinem Fall angefüllt mit bitteren Visionen und den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges. Er legte die Verletzungen, Schändungen und Leiden nicht nur bloß, sondern entzog die Figuren auch dem emotionalen Zugriff des Betrachters. Viele seiner Bilder wirken kalt und gar gefroren, sind in eher die Gefühle abstoßenden Farben gemalt. Dazu hat Bacon die Figuren meist aus ihrem Bezugsrahmen gelöst und sie in einen zwar streng umrissenen, aber doch ungewissen Raum entrückt.
Es ist, als wären die geschundenen Figuren in einen isolierten Raum, in einen Käfig gestellt. Genau darin sieht documenta-Leiter Jan Hoet die brennende Aktualität Bacons. Zahlreiche ältere und jüngere Künstler würden sich, so Hoet, mit der Käfig-Situation des Menschen auseinandersetzen. Also bemühte er sich, den 82jährigen für die kommende Kasseler Kunstschau zu gewinnen, um ihn als eine Schlüsselfigur der Malerei unserer Zeit zu präsentieren. Bacon hatte bereits 1959,
1964 und 1977 an der documenta teilgenommen. Der Maler war nicht auf Anhieb zu überzeugen. Nachdem er aber einmal eingewilligt hatte, bot er mehrere Arbeiten an. So wird die documenta Bacons künstlerisches Vermächtnis zeigen können – drei Arbeiten (darunter ein Triptychon) aus seiner letzten Schöpfungsphase.
Der am 28. Oktober 1909 in Dublin geborene Bacon, der den größten Teil seines Lebens in London ansässig war, verwies stets mit Stolz darauf, daß er nie eine Akademie besucht habe. Bei seinem malerischen Herkommen hatte er sich von den Surrealisten und Picasso beeinflussen lassen, dann aber sehr bald seine eigene Sprache gefunden.
Francis Bacon gehörte zu jenen Künstlern, die sich beim Malen stets auch intensiv mit Malerei auseinandersetzten. So schuf er beispielsweise die Gemälde zu Papst Innozenz X. im künstlerischen Dialog mit Velazquez. Und in seinen Studien für ein Porträt von van Gogh ließ er sich direkt mit der lockeren Malweise des Holländers ein. Dabei beließ es Bacon selten bei nur einer Fassung. In immer neuen Variationen lotete er die Möglichkeiten der Bildkunst aus.
Obwohl Bacon seine malerische Beschäftigung mit der menschlichen Figur nie aufgab, spielte er im Laufe der Jahre in seinen Gemälden fast alle Möglichkeiten der Malerei durch. Seine größte Aufmerksamkeit wandte er dabei dem Verhältnis von Fläche und Raum zu. Im Miteinander von kühler Konstruktion und weicher Komposition fand er seine Sprache.
HNA 29. 4. 1992