Einen vielseitigen Einblick in die Bilderwelt von Gerhard Altenbourg (1926 – 1989) ermöglicht eine Ausstellung im Gothaer Schloßmuseum Friedenstein.
Es ist eine Art später Heimkehr. 1926 war er im thüringischen Schnepfenthal, unweit von Gotha, geboren worden. Nun wird sein Werk umfassend im Gothaer Schloß Friedenstein gewürdigt. Gerhard Altenbourg, der ursprünglich Ströch hieß, konnte dies nicht mehr erleben, wie er überhaupt die künstlerische Anerkennung in seiner Heimat nicht mehr erfahren durfte: Vor knapp drei Jahren ist er bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Der Zeichner und Maler Gerhard Altenbourg war ein Einsiedler, der sich nach erlittenen Verletzungen und Verfolgungen eingewoben hatte in ein Netz aus scharfsinnigen Beobachtungen und überbordenden Phantasien. Erst hatte der Krieg den jungen Mann gezeichnet, und dann, als sein künstlerisches Talent offenbar war, wurde er vom Studium an der Weimarer Hochschule aisgeschlossen, weil seine Bilder nicht in die politische Landschaft paßten. Wenn er sich dennoch künstlerisch durchsetzen konnte, hatte er das vornehmlich den westdeutschen Galerien Springer und Brusberg zu verdanken, die unermüdlich für sein Werk trommelten und schließlich dazu beitrugen, daß in den 80er Jahren Altenbourg auch zunehmend in der DDR zur Kenntnis genommen wurde.
Wollte man versuchen, Altenbourgs Bildsprache auf einen Nenner zu bringen, müßte man scheitern. Der Künstler, der seinen Namen seinem Wohnort Altenburg entlieh, pflegte keinen Stil. Er entwickelte keine Handschrift mit stets wiederkehrenden Mrtkmalen. Altenbourg war vielmehr ein Zeichner und Grafiker, der spontan auf die ihn einstürmenden Ereignisse reagierte, einer, der den emotionalen Druck brauchte, um schöpferisch tätig zu werden.
So findet man auch in der weitgehend chronologisch geordneten Ausstellung neben Zeichnungen mit einem äußerst kleinteiligen und nervösen Strich Blätter, in denen aus weitgreifenden, ruhigen Linien klare Formen erwachsen. Ähnlich wie Horst Janssen war Altenbourg ein Zeichner und Literat zugleich, auf den die Bilder einstürmten. Mit wachen Augen sog er die Impressionen der Landschaften und Figuren in sich auf und verband sie mit seinen poetischen Phantasien. Dichtung und Wahrheit, Abbild und Vision sind da nicht mehr zu trennen. Alles fließt ein in einen sich ständig wandelnden Erzählrhythmus, in dem einmal mehr die phantastischen Elemente in den Vordergrund treten und dann wieder die fast freie Formensprache beherrschend ist.
Die in Gotha gezeigte Ausstellung wurde in ihrem Kern vom Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen für eine Welttournee zusammengestellt. In Gotha nun wurde die Schau um etliche Arbeiten erweitert, von denen elf Blätter aus dem Besitz des Schloßmuseums stammen. Es handelt sich vornehmlich um Holzschnitte mit (bei aller zarten Farbigkeit) stark malerischem Charakter. Besonders fasziniert dabei, wie es Altenbourg verstand, die Maserung des Holzes für seine Drucke nutzbar zu machen.
HNA 17. 11. 1992