Plastiken eines Zeichners

Bernard Bazile im Kunstmuseum Düsseldorf

Das Kunstmuseum probt das Uberleben. Während die eigentlichen Museumsräume am Ehrenhof seit Wochen wegen Baufälligkeit geschlossen sind und es noch völlig ungewiß ist, in welchen Provisorien sich in den nächsten Jahren die Museumsarbeit eritfalten kann, baut die moderne Abteilung das Malhaus des Kunstmuseums (früher Hetjens-Museums) zu einem vielversprechenden Brückenkopf aus. In diesen Räumen, die zwar nicht baufällig sind, die aber nach bestehenden Plänen im nächsten Jahr der Spitzhacke zum Opfer fallen sollen, ist immerhin ein Zipfel der Museumsbestände zu sehen.

Stephan von Wiese, der die Abteilung leitet, ist bemüht, solange wie nur möglich, aus dem Fundus der im Museum angesammelten zeitgenössischen Kunst wenigstens einige Spuren sichtbar werden zu lassen. Zweieinhalb kleine Räume stehen für diesen Zweck zur Verfügung. Da damit aber kaum Besucher anzulocken sind, erhalten die Wechselausstellungen im Malhaus mehr Gewicht als früher.

Die neue Saison wurde hier gleich mit einer Doppelausstellunq begonnen: Während in den neu hergerichteten Hochparterreräumen Erika Kiffis „Atelierfotos“ (wir berichteten darüber) zu sehen sind, wird im Obergeschoß Bernard Bazile (Paris) vorgestellt.

Das Ausstellungsplakat für Baziles Installationen zeigt den Grundriß der Malhaus-Räume. Das ist ein Signal für die Besucher: Bazile nimmt die Räume in Beschlag, bezieht sie mit ein. Wie viele junge Künstler (er ist Jahrgang 1952) Ist Bazile nicht auf ein Material, auf nur eine Ausdrucksmöglichkeit fixiert. Trotzdem neigt man dazu, ihn am ehesten als Zeichner einzustufen, denn selbst in seinen aufs Schwarz-Weiße hinzielenden plastischen Arbeiten schlägt eine zeichnerische Formulierungsweise durch – auch wenn da fünf gegen die Wand gelehnte Holzstangen in einen Teerbalken eingegossen sind.

Diese Teer-Holz-Skulptur, in der Ausstellung erst hergestellt, nimmt mit ihrer leichten Krümmung jenen Bogen auf, den an dieser Stelle die Mauern des Malhauses beschreiben. Die Skulptur in ihrer Verbindung aus biegsamem und starrem Material wird so zum Raumzeichen, das die räumlichen Gegebenheiten zur Grundzeichnung oder Urskulptur erhebt.

In gleicher Weise verfährt Bazile mit seinen 138 Zeichnungen, in denen sich kreuzende Linien zu Rastern verdichten, kleine Rechtecke bilden, sich verdicken und schließlich die ganze Zeichenfläche überwachsen. Bazile hat 126 dieser gleichgroßen und gleichartig gerahmten Zeichnungen auf zwei aufeinanderstoßenden Wänden dicht an dicht zusammengefügt. Die Bilder sind so gehängt, daß eine innere Dynamik entsteht und sich die zeichnerische Kraft in dem rechten Winkel der Wände zusammenballt:

Dort treffen sich die dichtesten, schwärzesten Arbeiten. Diese Verdichtung auf zwei Wänden – im Gegensatz zu der Leere der anderen Wände – verwirrt im ersten Moment. Man kommt leicht weiter, wenn man im angrenzenden Raum unterhalb eines Fensters zwölf weitere Bilder dieser Serie als ein Raster entdeckt: Es geht hier nicht um die Bewunderung von Einzelbildern, sondern um den Nachvollzug des Gedankens, wie aus einem zeichnerischen Vorwurf eine Reihe entstehen kann, die ihre Dynamik erst in der Summierung entfalten kann. Die Einzelbilder wachsen zu großen Bildern zusammen und treten in die Zwiesprache mit dem Raum.

RP 2. 10. 1979

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