Zeit der Aussöhnung

Beuys-Werke in der NRW-Landesvertretung

Es ist noch keine zehn Jahre her, daß Joseph Beuys aus der Düsseldorfer Kunstakademie fristlos vertrieben wurde und sich daraus ein mehrjähriger Arbeitsgerichtsstreit zwischen dem Künstler und dem damaligen Wissenschaftsminister (und heutigem Ministerpräsidenten) Johannes Rau entwickelte. Nun wurde, sozusagen unter der Schirmherrschaft von Rau, in der Bonner Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen eine Beuys-Ausstellung eröffnet. Der verstoßene Sohn wurde heimgeholt. Angesichts der breiten nationalen und internationalen Anerkennung, die Beuys in den letzten Jahren erfahren hat, konnte und wollte wohl auch das Land nicht mehr zurückstehen.
Beuys auf dem besten Weg zum Statskünstler? Wird er vielleicht zu seinem anstehenden 60. Geburtstag noch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet? Jedenfalls scheint die Zeit der Aussöhnung gekommen. Und Hausherr Minister Dieter Haak wertete das Zustandekommen der Ausstellung an diesem Ort als einen Beleg für die Liberalität des Landes.
Die Bonner Diplomaten- und Ministerial-Gesellschaft, die in fast erdrückendem Umfange der Einladung gefolgt war, lieferte den Beweis dafür, wie sehr die Attraktivität von Kunst durch den Rahmen, in dem sie präsentiert wird, gesteigert werden kann. Denn all die Objekte, Zeichnungen und Multiples von Beuys, die da als gewagte Neufindungen bestaunt oder als Kuriosa belächelt wurden, sind gar nicht so neu und den Bonnern zudem seit langem ständig zugänglich. Zu sehen sind sie normalerweise im nur wenige Kilometer entfernten Bonner Kunstmuseum. Aber, so muß man fragen, wer nimmt das schon wahr?
Das Bonner Kunstmuseum, das sich in den letzten Jahren die Kunst der Bundesrepublik zum Sammlungsschwerpunkt erkoren hat, verfügt über eine beachtliche Kollektion von Beuys-Werken. Dabei profitiert das Institut auch von der desolaten baulichen Situation des Düsseldorfer Kunstmuseums: Weil dort die Moderne derzeit nicht präsentiert werden kann, gab der Düsseldorfer Sammler Günter Ulbricht seine Beuys-Leihgaben (vorläufig) nach Bonn.
Im Mittelpunkt der Ausstellung im Hause der Landesvertretung (Dahlmannstraße 2) steht die Objektgruppe „Konzertflügeljom“, die sich auf eine Aktion von 1969 bezieht: ein schwarzer Konzertflügel, dem die Beine abgenommen sind und der an einigen Stellen mit brauner Farbe bemalt ist, wird zum anklagend schweigenden Klangkörper; Filzhut, Notenständer und Fragmente einer grünen Geige komplettieren das Ensemble und verstärken das Bild vom gewaltsam beendeten Auftritt.
Inder Tat war die damalige Aktion von Studenten unterbrochen worden. Zugleich weist die Objektgruppe aber auch viele Merkmale auf, die für das Gesamtwerk von Beuys kennzeichnend sind, das die alten Grenzen von Zeichnung, Malerei und Skulptur überwindet und geistige Ströme sichtbar machen will. Auch die provozierende und zugleich faszinierende Zuordnung von Erdklumpen und Telefon zu einem „Urobjekt: Erdtelefon“ lenkt die Gedanken über das Plastische hinaus ins Geistig-Schöpferische. Aus der Verweigerung, den Erdkloß nun wirklich zu einem archaischen Telefon zu formen, und der Gedankenverbindung zu dem biblischen Klumpen Lehm, aus dem der Mensch geschaffen wurde, entwickelt sich eine prickelnde Spannung.
Bonns Museumsdirektor hat die Ausstellung der rund 100 Arbeiten zur Herausgabe eines kleinen Kataloges genutzt, in dem er immer wieder zu Recht darauf verweist, wie sehr das prozeßhaft entwickelte Werk von Beuys die Einzelobjekte in einen Gesamtzusammenhang einbinde.
RP 11. 4. 1981

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