Dieser Joseph Beuys ist am 12. Mai 60 Jahre alt geworden. Geboren in Krefeld und aufgewachsen in Kleve, gilt Beuys heute vielen als ein Künstler, der nur in der niederrheinischen Landschaft so werden konnte. Seit mehr als 30 Jahren darf er zu den Düsseldorfer Künstlern gerechnet werden, und doch verbindet Beuys mit seinem Wohnort bestenfalls eine Haßliebe. Er erwartet von dieser Stadt nicht viel, und er denkt auch nicht daran für sie viel zu unternehmen, etwa eine große Retrospektive seiner Arbeiten. Wenn er eine solche Anstrengung auf sich nimmt, muß schon jemand da sein wie Thomas Messer, der Direktor des Guggenheim-Museums, der ganz und gar überzeugt ist, sich nicht abweisen läßt und am Ende selbst zum Überzeugenden wird. Ein solcher Mann war für Beuys in Düsseldorf der im vorigen Jahr gestorbene Galerist Schmela. Schmela setzte sich früh und nachhaltig für Beuys ein und ermöglichte ihm 1965 die erste Einzelausstellung in einer Galerie. Diese Ausstellung wurde übrigens in der am 30. Mai in Köln eröffneten Westkunst-Ausstellung rekonstruiert.
Schon früh, als 20jähriger, kam Joseph Beuys mit den Ideen von Rudolf Steiner in Berührung. Es wäre verfehlt, seine human-sozialen Vorstellungen ausschließlich auf Steiner zurückzuführen, doch gibt es offenkundige Abhängigkeiten und Verwandtschaften. Und so ist es kein Zufall, daß Beuys mit seinen Gedanken sehr früh unter Anthroposophen und Anhängern einer neuen Ökologie-Bewegung Freunde fand. Der Weg zu den Grünen war da nur logisch.
Schon Ende der sechziger Jahre hatte Beuys damit begonnen, mit seinen künstlerisch-sozialen Vorstellungen über die Düsseldorfer Kunstakademie in die breite Offentlichkeit zu wirken. Die Gründung der Deutschen Studentenpartei (1967) war ein erster Versuch, der aber von vielen als spielerische Aktion des Fluxus- und Happening-Künstlers mißverstanden wurde. Der Auftritt auf der Kasseler documenta 5 (1972) aber, bei dem er 100 Tage lang von morgens bis abends mit Besuchern über seine Organisation für direkte Demokratie diskutierte, ließ seine Gedanken nachhaltig über den engen Kunstbereich hinaus dringen. So fiel seine Idee von der Freien Internationalen Universität (für Kreativität) auf fruchtbaren Boden und führte zur Gründung von Seminar- und Gesprächskreiszirkeln in vielen Städten.
Wie wichtig für Beuys dieser Teil seiner Arbeit ist, kann an zwei Beispielen abgelesen werden: 1977 nutzte er das Angebot, an der documenta teilzunehmen dadurch, daß er seinen Raum zu einem ständig überfüllten Forum der Freien Internationalen Universität werden ließ und dabei häufig selbst nur Zuhörer blieb; auch das Atelier in der Düsseldorfer Kunstakademie, das sich Beuys nach seiner fristlosen Kündigung als Professor in einem bis zum Bundesarbeitsgericht führenden Verfahren gegen da Land wiedererstritt, wandelte er in ein FIU-Büro um.
Ausgangspunkt für den Arbeit Gerichtsstreit war gewesen, daß sich der Hochschullehrer Beuys über die Meßzahlen für die Zulassung von Studenten hinwegsetzen und allen Bewerbern das Studium bei ihm ermöglichen wollte. Dem wurde entgegengesetzt, daß ein Kunststudium mit hundert oder mehr Schülern in einer Klasse schier absurd sei. Die Studenten denken da anders. Die Herkunftsbezeichnung Beuys-Schüler wird heute wie eine Auszeichnung in die Biographien eingetragen.
Mai/Juni 1981