34 Künstler stiften Werke

Die Idee wurde in New York geboren: Der Berliner Kunst- Autor Heiner Bastian (41) erzählte einigen Künstlern von seinen vergeblichen Versuchen, bei der deutschen Schadstoffausstoßenden Industrie Gelder für die Kasseler Beuys-Aktion „7 000 Eichen“ (und damit auch zur Rettung der Natur) locker zu machen. Da schlugen spontan, so berichtete Bastian gestern in einem Telefongespräch, Sandro Chia, Robert Rauschenberg, Cy Twombly und Andy Warhol (alles documenta-Künstler) eine künstlerische Solidaraktion zugunsten der aus der documenta 7 hervorgegangenen Baumpflanzaktion vor.

Das war vor etwa einem Jahr. Mittlerweile ist sicher, daß sich 34 Künstler beteiligen wollen – von Barcelo und Beuys über Clemente, Dokoupil, Immendorff, Merz und Salom bis Woodrow. Bastian, der die Solidaraktion koordiniert, glaubt fest, daß er noch weitere Künst1er gewonnen hätte. Da die Aktion „7 000 Eichen“ aber mit dem Beginn der documenta 8 (1987) abgeschlossen werden soll, mußte er jetzt einen Schlußpunkt setzen.

Jeder dieser Künstler stiftet ein Werk. Es besteht die Hoffnung, daß sich ein Sammler findet, der bereit ist, alle 34 Arbeiten zum Preis von über einer Million Mark geschlossen anzukaufen. Sollte sich diese Hoffnung zerschlagen, würden die Werke einzeln verkauft werden. Der Reinerlös soll den weiteren Fortgang der Kasseler Pflanzaktion ermöglichen.

Im Beuys-Büro „7 000 Eichen“ beobachtet man erwartungsvoll dieses Vorhaben: Bisher sind 4016 Bäume (mit dazu gehörigen Basaltsäulen) finanziert und gesetzt. Auch für die Früh jahrs- Pflanzung sind dank einer Aktion der Zeitschrift „natur“ Gelder da. Wenn aber die Bastian-Initiative zum Erfolge würde, wäre mit einem Schlag die Finanzierung bis 1987 geregelt.

Als Dank an die Künstler erarbeitet Heiner Bastian einen, wie er sagt, „aufwendigen“ Katalog, in dem die Solidaraktion sowie die Werke dokumentiert werden. Außerdem wird die Kunsthalle Tübingen ab 2. März die gestifteten Werke zeigen; die Ausstellung wird im Juni von der Kunsthalle Bielefeld übernommen.
Für Bastian ist es ein in der Kunstgeschichte einmaliger Vorgang, daß sich so viele Künstler so uneigennützig zugunsten eines künstlerischen Projektes einsetzen, „das nicht in einem Museum stattfindet“. In der Tat: Die Bereitschaft der Künstler, hier mitzuspielen, erweitert noch einmal die Dimensionen des sowieso groß angelegten Beuys-Projektes. Der Stein, den Joseph Beuys ins Wasser geworfen hat, schlägt unerwartet hohe Wellen. Und es ist faszinierend zu beobachten, daß mit zunehmender Entfernung von Kassel das Interesse wächst, den Wellengang zu fördern.

Das Zusammenwirken von drei faszinierenden und aktuellen Faktoren führt dabei zum Erfolg: Der auf Lebenssituationen reagierende Künstler Beuys, die die Bereiche Kunst und Natur verknüpfende Aktion „7 000 Eichen“ und die dahinter stehende documenta-Idee.

HNA 23. 1. 1985

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