Das Erbe von Beuys

Die Sorge, nach dem Tod von Joseph Beuys könne die zur documenta 7 in Kassel eingeleitete Pilanzaktion „7000 Eichen“ ein Torso bleiben, ist unbegründet. Das Erbe dieses Künstlers ist vielen eine Verpflichtung. Um das auch öffentlich zu demonstrieren, trafen sich am gestrigen 65. Geburtstag von Beuys im Kasseler Rathaus Künstler, documenta-Verantwortliche, Abgesandte der von Beuys gegründeten Freien Internationalen Universität (FIU), die Mitglieder des Baum-Büros und die Vertreter der Stadt: Unmittelbar zum Beginn der documenta 8 im Juni nächsten Jahres soll der letzte der 7000 Beuys-Bäume auf dem Kasseler Friedrichsplatz gepflanzt werden.

Durch diese Aktion ist es erstmals gelungen, die Zeit zwischen zwei documenten mit einem großen Kunstprojekt zu überbrücken. Und Manfred Schneckenburger, der Leiter der documenten 6 und 8, wäre nicht böse darum, wenn auch aus der nächsten Ausstellung eine Brücke zur documenta 9 geschaffen werden könnte.
Die Bilanz, die vor der Presse gezogen wurde, war insgesamt positiv: 6100 Bäume, ergänzt durch je eine Basaltstele, sind bisher gesetzt, 1 567 allein in der vergangenen Herbst- und Frühjahrssaison. Weniger ermutigend klingt allerdings, daß die Spenden für nur 198 Bäume aus Kassel kamen, wobei 159 allein von fünf Unternehmen finanziert wurden. So bleiben in der documenta-Stadt bislang nur 27 private Spender. Für 2250 Bäume kamen hingegen die Gelder aus dem Ausland:
Unter diesen Voraussetzungen wird sichtbar, daß die Aktion „7 000 Eichen“ ein großes Geschenk an die Bürger ist.

Beuys-Mitarbeiter Johannes Stüttgen betonte, daß das monumentale Werk ganz nach Plan vollendet werde. Prof. Kasper König, der die Ausstellungen „Westkunst‘ und „von hier aus“ inszenierte und gemeinsam mit dem Grafiker Klaus Staeck für den Fortgang der Aktion sorgen will, sieht in dem Beuys-Projekt eine Umsetzung des Begriffs vom plastischen Denken. „7 000 Eichen“ sei aber nur, so König, als Initialzündung für weitere Aktionen zu verstehen. Kassels Oberbürgermeister Eichel bekannte sich auch zu diesem Grundsatz.

In der letzten Phase der Aktion „7 000 Eichen“ wird es auch darum gehen, weitere Asphaltstandorte zu entsiegeln, also Baumstandorte in solchen Innenstadtbereichen zu ermöglichen, die jedes natürliche Grün verloren haben. Darum ging es Beuys vor allem mit seinem Projekt „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. Im Vorfeld des gestrigen Treffens war wohl bemängelt worden, daß dies nicht entschieden genug verfolgt worden sei.
Schließlich wandte sich König dagegen, daß irgendwelche Kunstfreunde Beuys-Bäume für ihre Privat-Gärtchen erwerben wollten. Das stelle die Idee völlig auf den Kopf.

HNA 13. 5. 1986

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