Zuerst schien es so, als laufe die documenta 7 an Joseph Beuys vorbei. Zu abseitig schien die Baumpfianzaktion. Doch als der Keil aus Basalt-Säulen auf den Kasseler Friedrichsplatz Form zu gewinnen begann, mußte man umdenken. Und jetzt könnte man manchmal glauben, die documenta sei eine riesige Beuys- Veranstaltung.
Die Krönung der Beuys-Aktion soll nun heute Vormittag erfolgen – dann soll die Kopie der Krone von Iwan dem Schrecklichen (mindestens 300 000 Mark wert) auf einem Holzpodest über dem Basalt-Keil eingeschmolzen werden. Ein ehemaliges Machtsymbol soll in ein Friedenszeichen verwandelt werden und der Pflanzaktion bares Geld einbringen.
Längst ist das keine Sache mehr, die nur noch Beuys und seine dauerhaften Freunde und Feinde angeht. Die Kasseler Juweliere, die sich weigern, den Schmelz-Frevel zu begehen, haben auch das Stichwort gegeben: Darf man denn so einfach ein Stück, in das 1500 meisterliche Arbeitsstunden investiert wurden. zu schnödem Geldwert verflüssigen?
Nun, Beuys ist gewitzt genug, auf den Schmelzakt zu verzichten, falls ihm für die Krone ein Liebhaberpreis geboten würde. Wird aber tatsächlich ein Machtsymbol in demokratisches Kapital umgewandelt, wenn Beuys die gelungene Kronen-Kopie vernichtet oder trifft er damit nur den Handwerker? Gibt es ein Mitspracherecht der Öffentlichkeit? Ist die Finanzierung der Baumaktion wichtiger als der Erhalt der Krone? Oder ging es der Krone besser, solange ihr Spender, der Düsseldorfer Gastronom Mattner, sie (gelegentlich) als Trinkgefäß nutzte? Fragen über Fragen, die nicht auf Anhieb befriedigend zu beantworten sind.
HNA 30. 6. 1982