Beuys und das Schloß

Was ist eigentlich schief gelaufen, daß die Gemäldegalerie in Schloß Wilhelmshöhe baulich so herunterkommen konnte? Auf die Ausrede, das Ausmaß der Schäden sei nicht bekannt gewesen, kann sich niemand zurückziehen. Denn die Alarmzeichen sind von uns seit 1989 wiederholt öffentlich gemacht worden.

Wahrscheinlich hatten sich die Verantwortlichen zu lange von der Idee blenden lassen, wenn man erst einmal das versprochene Museum am Weinberg habe, könne man die Grunderneuerung von Wilhelmshöhe in Ruhe angehen. Die Neubau-Faszination war so groß, daß sich noch 1991 Museumsdirektor Dr. Ulrich Schmidt dagegen wandte, das Konzept aufzugeben und auf die Sanierung des Schlosses zu setzen. Das war ein Fehler. Denn angesichts der rapide veränderten Finanzlage ist nicht nur der Neubau vom Tisch, sondern im Moment auch kein Geld für die Sanierung da.

Nun meinen einige, sie hätten genau gewußt, woher das Geld zu bekommen gewesen wäre: Man hätte nur auf den Ankauf des Beuys- Raumes in der Neuen Galerie verzichten müssen. So werden schnell der Sammler mit seiner Millionenforderung für die Beuys-Werke, die Politiker, die für den Ankauf stehen, und der Künstler selbst zu den Verursachern eines Skandals gemacht.

Aber so einfach sind die Dinge nicht. Das fängt mit den Fakten an: Selbst wenn der Beuys-Raum nicht angekauft würde, stünde kein Pfennig mehr zur Schloß-Sanierung bereit. Warum? Weil das Geld weder aus dem Stadt- noch aus dem Landes- Etat kommt, sondern von den Kulturstiftungen auf Landes- und Bundesebene. Diese Stiftungen hatten die Politiker in Kenntnis der Schwächen des Systems geschaffen: Da in finanziellen Notzeiten die Mittel für den Kunsterwerb schnell in Bau- oder Verwaltungsgelder verwandelt werden, wurden die Kulturstiftungen dazu bestimmt, ausschließlich den Erwerb von Kunstwerken zu sichern. Die Stiftungen sollen ermöglichen, was normalerweise finanziell nicht machbar wäre.

Das heißt: Ohne den Eingriff der Kulturstiftungen wäre die Sammlung Herbig mit dem Beuys-Raum abgewandert und die zeitgenössische Abteilung der Neuen Galerie um ihren Kern gebracht worden. Aber die rationalen Argumente haben es schwer, sich in der Diskussion um den Ankauf durchzusetzen. Zuviel Irrationales mischt sich in den Fall: Die ablehnende Haltung gegenüber Teilen der Gegenwartskunst, deren Reizfigur Beuys immer noch ist, und das Unverständnis dafür, daß die Gesetze des Marktes für die Kunst mit der gleichen Radikalität gelten wie für Aktien. Fatal an dieser Marktgesetzlichkeit ist, daß die Museen selbst an dem Prozeß teilhaben: Weil ihre Finanzausstattung zu gering ist, sind sie auf Leihgaben angewiesen; und indem sie die Leihgaben präsentieren, tragen sie noch zu deren Wertsteigerung bei, so daß sie zur Vermeidung einer drohenden Abwanderung für die selbst mitproduzierte Preissteigerung zahlen müssen. Ein Kreislauf, aus dem es kein Entrinnen gibt. Denn wer wollte den Verlust einer international geschätzten Werkgruppe verantworten?

HNA 27. 2. 1993

Schreibe einen Kommentar