Projekt der Superlative

Je länger das Kasseler Beuys- Projekt „7 000 Eichen“ läuft, desto mehr offenbart es sich als eine Kunst-Aktion der Superlative: Zusammen mit 7000 Basaltsäulen werden 7000 Bäume im Laufe von fünf Jahren in den Kasseler Boden gesetzt. Damit wird die documenta-Stadt nicht nur durchgrünt, sondern in eine einzigartige Kunstlandschaft verwandelt, weil jedes Baum-Stein-Monument nicht nur Grün verheißt, sondern auch die Idee der sozialen Plastik in sich trägt und von der documenta kündet. Gleichzeitig wird erstmals durch ein Kunst-Projekt die Brücke von einer documenta zur nächsten geschlagen. Der letzte Baum nämlich soll zur Eröffnung der documenta 8 gepflanzt werden. Die Stadtverwaldungs-Aktion sprengt die in der Kunst gewohnten zeitlichen, räumlichen und auch geistigen Dimensionen.

Immer wieder überrascht dabei, mit welcher Anteilnahme der Fortgang der Pflanz-Aktion außerhalb Kassels verfolgt wird. Die größten Spenden für das Projekt kamen aus anderen Städten und Ländern; auch die Idee zu dem wohl schönsten Förderungsbeitrag wurde in New York geboren: Da entwickelte der Publizist Heiner Bastian (Berlin) gemeinsam mit einigen Freunden den Plan, internationale Künstler zu bitten, je eine Arbeit zu stiften, um aus deren Verkauf dann Geld für „7000 Eichen“ zu gewinnen. 33 Künstler fanden sich dazu bereit, Joseph Beuys schloß sich als 34. mit einer großen Collage auf Leinwand an, die dem alt- ägyptischen Fruchtbarkeits- und Totengott Osiris gewidmet ist.

In Anwesenheit von Beuys, der noch deutlich von einer langwierigen Krankheit gezeichnet ist, wurde am Sonntag in der Kasseler Orangerie die Ausstellung „7 000 Eichen“ eröffnet, in der die 34 gestifteten Kunstwerke zu sehen sind. Die Ausstellung (siehe unser Bericht vom Samstag), die zuvor in Tübingen und Bielefeld gezeigt worden war, wird durch eine kleine, aber schöne Foto-Dokumentation der Pflanzaktion (Fotos: Dieter Schwerdtle) ergänzt.

Beuys war vor drei Jahren zu der Pflanzaktion unter dem Motto „Verwaldung statt Stadtverwaltung“ angetreten. Bei der gestrigen Eröffnung wurde jedoch dokumentiert, daß in Kassel die befürchteten Widerstände längst überwunden sind. Oberbürgermeister Eichel dankte nicht nur dem Düsseldorfer Künstler und allen Spendern für die Initiative und deren Durchsetzung, sondern wies auch auf die direkte und indirekte Unterstützung der Stadtverwaltung hin. Beuys bestätigte dies und unterstrich, daß das Gartenamt einerseits seine Aktion unterstütze und andererseits selbst die Durchgrünung Kassels verstärke.

Für die Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, die die Ausstellung in der Orangerie zeigen, wünschte deren Direktor Ulrich Schmidt, daß die- Beuys-Idee weit über Kassel hinaus Früchte tragen möge. Er erinnerte daran, daß nur dank des hartnäckigen Einsatzes von Marianne Heinz (Leiterin der Neuen Galerie) und dank der Spenden der Stadtsparkasse und der Hessischen Brandversicherung diese Ausstellung auch hier gezeigt werden könne.

HNA 26. 8. 1985

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