Das Erbe des Joseph Beuys

Die documenta-Stadt Kassel kommt in diesem Sommer in der Lagunenstadt Venedig zu besonderen Ehren. Eine Joseph Beuys (1921- 1986) gewidmete Ausstellung erinnert an die Anfänge der von dem Künstler begründeten Freien Internationalen Universität (FIU) vor 30 Jahren. .„Joseph Beuys: Difesa della Natura – The Living Scuipture. Kassel 1977 – Venice 2007“ heißt das Projekt.

Die Organisatorin der Ausstellung, Lucrezia De Domizio Durini, hat nach eigenem Bekunden 15 Jahre mit Beuys zusammengearbeitet. Sie fühlt sich seinem Geist verpflichtet und hat anlässlich der Ausstellung ein umfassendes Diskussionsprogramm zu Fragen der Gesellschaft, Wirtschaft, Natur und Politik organisiert. So, wie Beuys 1977 in seinem zur FIU erklärten Raum im Fridericianum für 100 Tage ein Diskussionsforum betrieb, so begleiten die Vortrags- und Gesprächsveranstaltungen für 100 Tage die Ausstellung in Venedig. Es ist so etwas wie eine Wiederbelegung einer alten Idee.

Der Bildhauer und Aktionskünstler Joseph Beuys hatte 1972 die Kunstwelt damit überrascht, dass er keine fertigen Bilder und Objekte ausstellte, sondern sich selbst zum Mittelpunlct seines documenta-Beitrages gemacht hatte. Nicht, um sich zum Kunstwerk zu erklären, sondern um mit den Besuchern über seine Umgestaltung der Gesellschaft zu diskutieren. Tag für Tag stand er in seinem „Büro für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ bereit.

Fünf Jahre später gewann er die Überzeugung, dass die Diskussion auf eine breitere Ebene gestellt und von seiner Person abgelöst werden müsse. So richtete er einen großen Gesprächsraum mit Stühlen ein, in dem eine Art Seminarprogramm ablief. Die FIU der documenta sollte Modell für FIU-Gründungen in aller Welt sein. Die Diskussion liefen unter einer Honigpumpe ab. Durch ein langes Schlauchsystem wurde Honig gepumpt – als Symbol für den Austausch der Energien. Tatsächlich hatte diese Aktivität Folgen. FIU-Siskussionsrunden gab es auch zur nächsten documenta, außerdem wurden in Kassel und andernorts FIU-Filialen gegründet.

Dass der FIU-Gedanke in Italien auf fruchtbaren Boden gefallen ist, beweist die Ausstellung in Venedig, die bis zum 18. September läuft. Die Schau, die zugleich als Ehrung von Harald Szeemann (Leiter der documenta 5) gedacht ist, präsentiert vornehmlich Poster und Videos. Sie ist im Grunde nur die Plattform, auf der die 100 Tage diskutiert wird. Die Ausstellung liegt etwas im Abseits, auf der Rückseite des Arsenale-Gebietes, auf dem ein neues Kulturzentrum entsteht.
Internet: www.enel.it/dharmaofenel

HNA 6. 8. 2007

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