Bäume, Steine, Energie und Wärme

In einem Symposium versuchten Experten verschiedener Fachrichtungen eine Annäherung an Joseph Beuys und seine gewaltige Skulptur „7000 Eichen“ in Kassel.

Die Erwartungen der Veranstalter, die parallel zur documenta anspruchsvolle Programme auf die Beine stellen, müssen immer wieder gedämpft werden. Selbst wenn die documenta auf lebhaftes Interesse stößt, können die anderen nicht darauf hoffen, die Besucherströme zumindest teilweise zu sich umzuleiten. Und wenn dann gar, wie am Samstag geschehen, zwei wichtige Symposien (zu Kunst und Kirche und zu Beuys‘ „7000 Eichen“) gleichzeitig stattfinden, darf man sich über mangelndes Interesse nicht beklagen. Die Angebote hätten ein Jahr vorher oder ein Jahr später gewiß regen Zuspruch gefunden.

Die Tatsache, daß zu dieser documenta der Innenraum des Friedrichsplatzes als Kunstraum leer blieb, hat viele enttäuscht. Von der Nichtbespielung des Platzes profitieren aber die beiden dort beheimateten Werke aus früheren documenten – Walter de Marias „Erdkilometer“ und zwei der Bäume aus dem Beuys-Projekt
„7000 Eichen“. Beide werden in ihrer Dimension erstmals wieder richtig wahrgenommen. Und bei der Beuys-Skulptur hat man sogar Eindruck, daß wir erst noch lernen müssen, ihre Kraft zu ermessen. Das von dem Verein „7000 Eichen“ und der Neuen Galerie gemeinsam veranstaltete Symposium stellte daher – bei allen Problemen, die sich bei der Pflege der Skulptur ergeben – dankenswerterweise die Frage in den Mittelpunkt, welche Bedeutung dieses 1982 begonnene Werk im Schaffen von Josef Beuys habe.

Selbst Kunstfreunde, die damals den Düsseldorfer Bildhauer und Aktionskünstler gut zu kennen glaubten, waren anfangs von der Pflanzaktion überrascht worden. Doch nun lassen Hinweise auf Elemente in seinem Frühwerk erkennen, daß dieses Projekt weit verzweigte Wurzeln hat. So tauchten, wie Dieter Koepplin (Basel) nachwies, Basaltstelen, wie sie Beuys bei dem Kasseler Projekt jedem der Bäume zuordnete, bei ihm bereits in den 50er Jahren auf. Ebenso wichtig war Johannes Stüttgens Aussage, daß Beuys die Qualität von Wärme und Kälte in die Plastik einbezogen habe.

So ergab sich ein faszinierender Kreisschluß: Das Beuyssche Gesamtwerk durchzieht die Auseinandersetzung mit Sonne, Energie und Wärme. Das setzt sich in dem Projekt „7000 Eichen“ fort, mit dem Beuys das Museum verließ, um in die Stadt hineinzuwirken: Die Basaltsteine sind nicht nur
Schutz und Wärmespeicher für die wachsenden Bäume, sondern auch als Geschöpfe der Vulkane erkaltete Lava. Der Kreislauf des Lebens ist in ihnen vollendet.

HNA 7. 7. 1997

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