Lange Zeit galt Claes Oldenburg als der große Weichmacher in der Kunst. Der amerikanische Bildhauer schwedischer Abstammung (Jahrgang 1929) fertigte überdimensional große Lichtschalter und Waschbecken aus schlaffen Stoffen. In den letzten acht Jahren konzentrierte er sich auf die Erarbeitung von Groß- skulpturen für den öffentlichen Raum, für die Stadt. Auch hier sind es durchweg die banalen Gegenstände, die Oldenburg umsetzt und ins Riesenhafte steigert: Billard-Kugeln (Münster), Taschenlampe (Las Vegas) und Westernhüte (Salinas / Kalifornien).
Wenn Oldenburg das Einfache groß macht, dann geht es nicht nur um die ironische Umkehrung des klassischen Denkmalprinzips, nicht nur um das Überraschungsmoment, sondern dann geht es eher darum, das bildhauerische Gestaltungsproblem an einem leicht wiedererkennbaren Alltagssymbol vorzuführen und vor allem mit dieser Skulptur in den Umraum hineinzuwirken. Jedes Projekt, das Oldenburg im öffentlichen Raum verwirklicht, ist auf diesen bezogen, verdeutlicht und verändert zugleich seine Strukturen.
Das gilt auch für Oldenburgs Beitrag zur documenta 7, der vierten documenta übrigens, an der er beteiligt ist. Unmittelbar am Fuldaufer, nicht weit von dem documenta-Ausstellungsraum Orangerie, soll eine Stahlskulptur errichtet werden, die 10,25 Meter hoch und 12,25 Meter lang ist – eine Riesen-Spitzhacke, die scheinbar mit Wucht in den Boden gehauen ist. Der Betonsockel, in den die 5,5 Tonnen schwere Hacke mit ihrer Spitze eingelassen wird, soll unter dem Niveau der Uferböschung verschwinden und mit Gras überzogen werden, so daß gar nicht der Eindruck von einem Monument entsteht.
Der Stiel der Hacke soll, wie Oldenburg in einem Gespräch sagte, genau die Verlängerung der Achse bilden, die die Stadt Kassel prägt – die Linie Herkules-Wilhelmshöher Allee. An einem Punkt der Stadt also, an dem man diese Achse längst aus den Augen verloren hat, wird sie durch die Skulptur wieder sichtbar werden. Oldenburg selbst ist beim Studium von Kasseler Stadtplänen auf diese Lösung gestoßen. Daß er dabei ausgerechnet auf eine Spitzhacke verfiel, ist darauf zurückzuführen, daß der Kunst1er im Sommer 1978, als er erste Voruberlegungen zu seinem documenta-Beitrag anstellte, im Zeichen der Bundesgartenschau-Vorbereitungen auf Dutzende dieser Werkzeuge traf.
Claes Oldenburg hofft, daß seine Skulptur Anfang Mai aufgestellt werden kann. Bis zum Start der documenta im Juni soll dann auch eine kleine Broschüre erarbeitet werden, die den Entstehungsweg und die inhaltliche Begründung dieses Projekts erläutert. Die Skulptur wird mit einem matten schwarzblauen Farbüberzug versehen.
Die Spitzhacke ist das erste Objekt der documenta 7, bei dem sicher ist, daß es auf Dauer in Kassel bleiben kann. Ermöglicht wurde diese Stiftung durch drei- faches Zusammenwirken: den Stahl stiftet die Firma Thyssen-Schulte, die Arbeitsleistung finanziert die documenta-Foundation, und der Künstler verzichtet auf ein Honorar
HNA 13. 2. 1982