Die vermarktete Kunstschau

Steter Tropfen, so sagt man, höhlt den Stein. Auch Rudi Fuchs, künstlerischer Leiter der documenta 7, vermag sich dieser Weisheit nicht zu entziehen. Die wachsende Kritik an dem Versteckspiel um die Pläne für die große Kunstschau im Sommer läßt seine Abwehrgesten allmählich zu Öffnungsritualen werden. Ließ er vor wenigen Tagen sein Pressebüro noch ein Interview verbreiten, in dem er sich trotzig gab, kündigte er nun bei einer Diskussionsveranstaltung des Marketing-Clubs Nordhessen an, schon bald werde eine Künstlerliste veröffentlicht und darüber hinaus würden im Vorfeld der documenta einzelne Künstlerbeiträge vorgestellt. Mag auch sein, daß die Gewißheit, das Gros der Entscheidungen bewältigt zu haben. entkrampfend wirkt.

Unklar ist sich Fuchs lediglich in der Frage, inwieweit er die sehr aufgeregte und breite Szene der jungen Kunst einbeziehen soll. Beispiele wird es mit Sicherheit auf der documenta geben. Wo aber schlägt die Berücksichtigung einer aktuellen Strömung in eine mögliche Überbewertung um? Fuchs jedenfalls will einschlägige Ausstellungen wie die im Essener Museum Folkwang erst noch studieren.

Nachdem Paris und New York ihre Rolle als Kunstzentren ausgespielt hätten, gebe es in der Kunstszene keinen echten Mittelpunkt mehr; allerdings hätten sich Italien und Deutschland zu neuen Schwerpunktgebieten entwickelt. Ausgehend von dieser These umschrieb Fuchs die documenta 7 als den großen, vielleicht letzten Dialog zwischen Amerika und Europa, als die „letzte Schlacht“ zwischen zwei Regionen mit gegensätzlichen Haltungen in der Kunst. Nicht zufällig werde daher die Arbeit „Schlacht bei Waterloo“ von Marcel Broodthaers im Zentrum der documenta stehen.

Insgesamt sieht Fuchs Ausstellungen wie die documenta als Gelegenheiten an, der Phantasie und der Freiheit der Künstler Schutzzonen anzubieten. Die Künstler und ihre Werke brauchten Ruhe. Eine sattsam bekannte Fuchs-These, die jedoch bei dieser Diskussion an Brisanz dadurch gewann. daß neben dem künstlerischen Leiter auch documenta-Geschäftsführer Wolfgang Ziegler sprach. Ziegler nämlich erinnerte an die Besueher-Rekordmarke (350 000), die die vorige documenta gesetzt habe, und nun die diesjährige Kunstschau unter Erfolgszwang setze. Er sprach aber auch von Besucher-Analysen und Leuten, die nur aus Prestigegründen zur documenta kämen.

Es wurde sehr schnell deutlich, daß die documenta als Veranstaltung vermarktet werden muß, als Ausstellung aber dadurch nicht berührt werden darf. Das Dilemma von Kunst-Unternehmungen schlechthin wurde sichtbar. Fuchs und Ziegler führten aber vor, daß diese Not als ein aushaltbarer Dualismus ertragen werden kann. Nur wenig erörtert hingegen wurde die Frage nach der Marketing-Rolle, die die documenta für den Kunstmarkt innehat

Karte zur documenta 7 kostet 10 Mark

Die Tageskarten zur documenta 7 werden zehn Mark kosten. Für Mehrfachbesucher der am 19. Juni beginnenden 100-Tage-Kunstschau wird es Zehnerkarten zum Preise von 60 Mark geben; sie berechtigen zum Besuch aller drei Ausstellungsorte (Fridericianum, Orangerie und Neue Galerie) an zehn Tagen eigener Wahl. Darüber hinaus werden keine Dauerkarten angeboten, da die Nachfrage bei der vorigen documenta nur gering (90 Stück) war. Der zweibändige Katalog wird 85 Mark kosten. Dies gab documenta-Geschäftsfuhrer Ziegler anläßlich einer Diskussionsveranstaltung beim Marketing-Club Nordhessen bekannt.

Ziegler, der gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter der documenta, Fuchs, Rede und Antwort stand, unterstützte die Kritik des documenta-Teams an dem späteren Ausbau- und Nutzungsvorhaberi für das Museum Fridericianum. Eine überperfektionierte Ausgestaltung im Innern erschwere die Ausstellungsmöglichkeiten für zeitgenössische Kunst. Fuchs hatte zuvor gemeint, wenn das Fridericianum in seiner jetzigen Form nicht voll für die documenta erhalten bleibe, gehe für Kassel diese internationale Ausstellung verloren.

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