Die Liste ist fertig

Nun also ist das viel beredete Papier der documenta 7 (d7) abgeschlossen und versandfertig – die 166 Namen umfassende Kunstierliste. Ging bisher der Kampf von einzelnen Fachkritikern um die Veröffentlichung dieser Namenfolge, wird jetzt die Schlacht um die Treffsicherheit der Nominierungen beginnen.

Obwohl eine Ausstellung wie die documenta nichts, aber auch gar nichts mit einer Nationenrangliste (wie beim olympischen Sport) im Sinne hat, ist die Aufschlüsselung der teilnehmenden Künstler nach ihren Hrkunftsländern höchst aufschlußreich: 49 Amerikaner, 39 Deutsche, 26 Italiener, 10 Holländer und 9 Engländer bilden die zahlenmäßige Spitze des Aufgebots; nimmt man die 8 Schweizer, 6 Franzosen und 5 Österreicher hinzu, dann ist die Liste so gut wie komplett. Die documenta 7 bestätigt also nachdrücklich die Hypothese der Kölner „Westkunst“, daß unsere zeitgenössische Kunst im Wesentlichen westeuropäisch-atlantischer Natur ist.

In ihrer Gewichtsverteilung der regionalen Akzente bleibt die d7 zudem auf der Linie der Biennale von Venedig, die 1980 einen Rückblick auf die 70er mit einem Ausblick auf die 80er Jahre verband. Das Fuchssche Wort von der documenta 7 als dem letzten großen Dialog zwischen amerikanischer und europäischer Kunstszene gewinnt durch die Auswahl an Bedeutung.

Besonderes Interesse galt in jüngster Zeit der Frage, inwieweit die d7 auf die junge (wilde, heftige, leidenschaftliche) Kunst eingehen werde. Diese Szene wird, so kann man sagen, ansehnlich zitiert, ohne ein Übergewicht zu erhalten. Zu den schon bekannt gewordenen Namen Borofsky, Dahn, Disler, Droese und Tannert sind noch Elvira Bach und Salome sowie (in überraschender Breite) die der jungen Italiener gekommen – Chia, Clemente, Cucchi, de Maria und Paladino.

Im Mittelpunkt aber werden die Arbeiten der Künstler stehen, von denen schon seit Jahren (oder wieder) kräftige Impulse ausgehen – im Sinne einer „Übung in Erinnerung“ (Fuchs). Das sind etwa auf dem Felde der Malerei Richard Paul Lohse, Gerhard Richter, Sigmar Police, Arnulf Rainer und Robert Ryman; und bei der raumbezogenen, poetischen Kunst Jannis Kounellis, Mario Merz, Giulio Paolini und Giuseppe Penone. Der wiedererstarkten expressiven Malerei (und Plastik) von Baselitz, Höckelmann, lmmendorff, Kiefer, Lüpertz oder Penck wird die streng-rationale Kunst von Art & Language, Hanne Darboven oder On Kawara gegenüberstehen.

Wer die documenta 5 (1972) in lebhafter Erinnerung hat, wird viele gute Anknüpfungspunkte finden. Die neuen Medien, die bei der documenta 6 (1977) die Szene prägten, geraten wieder in den Hintergrund. Wohl kommt keine Maler-documenta auf uns zu, doch wird nach dem Debakel von 1977 die Malerei gleich einem Phönix aus der Asche aufsteigen.

HNA 11. 3. 1982

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