Wie wäre es eigentlich geworden, wenn Okwui Enwezor, den Traditionen folgend, das Museum Fridericianum zum Zentrum der Documenta 11 gemacht hätte? Dann hätten sich viele Besucher beim Rundgang durch die Ausstellung auf den Innenstadtbereich beschränkt und hätten das Gelände der ehemaligen Binding-Brauerei am Hafen links liegen gelassen. Da aber Enwezor in den alten Hallen eine großzügige, fast museale Ausstellungsarchitektur installieren ließ und dort rund 40 Prozent der gezeigten Werke konzentrierte, musste jeder dorthin, der die Documenta 11 gesehen haben wollte. So wurde dieses Gelände zum gleichwertigen Standort neben dem Fridericianum; es trug wesentlich zum Erfolg der Ausstellung bei, die mit 650 000 Besuchern erneut einen neuen Rekord aufstellte.
Die auf Fotografie, Video und Installationen konzentrierte Documenta 11 suchte die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Sie veränderte aber auch das Verhältnis zum Stadtraum: Zwischen Kulturbahnhof und Hafen verteilten sich stärker die Besuchermassen. Und durch das kleine Schiff ..Forelle wurde
auf einmal die Fulda zur Kunstachse.
Die documenta ist das hessische Top-Ereignis im Kulturbereich. Das hat erst vor wenigen Tagen eine Unabhängige Kulturkommission festgestellt. Sie empfahl aber auch, über eine Verschlankung dieses Dinosauriers nachzudenken.
Wenn Kassel Chancen bei der Bewerbung um die Kulturhauptstadt Europas haben will, kann die Stadt nicht nur als documenta-Standort werben. Vielmehr muss sie sehen, dass sie flankierend das documenta-Archiv ausbaut und im Umfeld der Ausstellung stärker auf Internationalisierung setzt. So könnte und müsste das documenta-Jahr 2007 als Probelauf für 2010 geplant werden. Nur so kann die Stadt auch für sich selbst gewinnen.
HNA 17. 12. 2002