Maria Eichhorn (Jahrgang 1962) hat in ihrem Raum im Museum Fridericianum an der einen Wand eine lange Bank aufstellen lassen. Setzt man sich auf die Bank, kann man die Textseiten, die auf die gegenüberliegende Wand projiziert werden, nicht lesen. Aber man kann auf der Bank in Ruhe über das Gelesene diskutieren. Und das wird ausgiebig getan. Denn ihre Arbeit, die Dokumentation der Maria Eichhorn Aktiengesellschaft ruft zwangsläufig Widerspruch hervor. Zum einen, weil Maria Eichhorn den Sinn einer Aktiengesellschaft (AG) dadurch verkehrt, dass ihre AG keinen Gewinn machen darf; zum anderen, weil sich viele fragen, was denn daran Kunst sei.
Nun hat Maria Eichhorn für diese Arbeit und ihr bisheriges Werk sogar den Arnold-Bode-Preis erhalten, der an den documenta-Begründer erinnert und der dank der Kasseler Sparkasse auf 10 000 Euro aufgestockt werden konnte. Alfred Nemeczek, langjähriger stelivertretender Chefredakteur von art und Miglied des Bode-Preis-Kuratoriums, erläuterte in seiner Preisrede sehr anschaulich, wie sich Eichhorns Beitrag zur Documenta 11 logisch in ihr Werk einfüge.
Maria Eichhorn ist eine Künstlerin, die gegen die Erwartungen und gegen die Regeln der Kunst arbeitet. So legte sie 1991 im Berliner Gropius-Bau eine alte Tapetenwand frei, die eigentlich durch Stellwände verborgen werden sollte, und so gab sie in Bern das Geld, das ihr für ein Ausstellungsprojekt zur Verfügung stand, für Instandsetzungsarbeiten an der Kunsthalle aus und dokumentierte in der Ausstellung die Rechnungen.
Für Nemeczek entsteht aus diesen unterschiedlichen Projekten ein innerer Zusammenhang, der Maria Eichhorn als eine kritische und realistische Künstlerin erscheinen lässt. Indem sie die künstlerische Arbeitsweise und damit die Kunst in Frage stelle, wende sie sich alltäglichen Fragen zu. Die Art und Weise, in der sie ihre Antworten präsentiere, lasse dann doch wieder Kunst entstehen. Nemeczek würdigte sie als eine hellwache Ausnahmekünstlerin.
Eingangs hatte bereits Prof. Heiner Georgsdorf als Vorsitzender des Kuratoriums darauf hingewiesen, dass die meisten Versuche der Künstler der Moderne, Anti-Kunst zu machen, am Ende doch Kunst hervorgebracht hätten. Und Kassels Kulturdezernent Thomas-Erik Junge hatte Eichhorns documenta-Arbeit als eine karikierende Antwort auf die Tatsache gepriesen, dass die täglichen Börsenkurse zum gesellschaftlichen Stimmungsbarometer und Wertemaßstab geworden seien.
Die für Kassel konzipierte Arbeit ist nach Maria Eichhorns Bekenntnis aus ihrer mehrjährigen Beschäftigung mit der Eigentumsfrage hervorgegangen. Jetzt, nachdem ihr mit fachlicher Hilfe das komplizierte Vorhaben geglückt sei, eine Aktiengesellschaft zu gründen, die ausdrücklich auf die Kapitalvermehrung verzichtet, seien für sie die Fragen der Eigentumsübertragung geklärt.
Die Maria Eichhorn Aktiengesellschaft kann nicht verkauft werden. Eine feindliche Übernahme, so die Künstlerin, sei nicht möglich. Wohl aber steht die künstlerische Projektion der Arbeit, also die Installation, wie sie im Fridericianum zu sehen ist, zum Verkauf. Beim Handel mit ihrem Werk über die Aktiengesellschaft mit Gewinnverbot kann es aber durchaus zu Wertsteigerungen und Gewinnen kommen. Gesetzt den Fall, die Arbeit wäre so gefragt, dass sie in kurzer Zeit mehrfach den Besitzer wechseln würde, könnte genau alles das auf den Kopf gestellt werden, was den Kern der Arbeit ausmacht.
HNA 13. 9. 2002