Mit der Entscheidung, sich von Geschäftsführer Soukup zu trennen, hat der Aufsichtsratsvorsitzende der documenta einen Schlußstrich unter die neuerlichen Auseinandersetzungen gezogen.
Die Vertreter der Stadt Kassel und des Landes Hessen, die im Aufsichtsrat der Kasseler documenta sitzen, waren guten Willens. Sie versuchten, wie zu hören ist, bis zum Wochenende, Roman Soukup zum Einlenken zu bewegen. Schließlich wußten sie, daß es zum jetzigen Zeitpunkt, genau zwei Jahre vor der nächsten (und dazu zehnten) documenta, nicht einfach und billig ist, den Geschäftsführer zu wechseln. Außerdem war ihnen auch klar, daß sie erst in der Aufsichtsratssitzung am vorigen Donnerstag mit Freude die gute Bilanz des Kunsthallenbetriebs im Museum Fridericianum zur Kenntnis genommen hatten. Roman Soukup ist ein Macher, dem es gelingt, Ausstellungen zu popularisieren, Feste zu inszenieren und der Kunst auch neue Besucher zuzuführen.
Doch exakt dieses Talent war die Ursache dafür, daß er bei der Vorplanung der documenta offensichtlich seine Rolle überschätzte und den Konflikt mit documenta-Leiterin Catherine David heraufbeschwor. So wie das laute und turbulente Begrüßungsfest im Herbst vorigen Jahres für die französische Ausstellungsmacherin schon nicht zu deren Art und ihrem Anspruch, eine stille Ausstellung zu planen, paßte, genau so wenig schien ihr zu gefallen, wie er die für September geplante Pressekonferenz (wiederum mit einem Fest) vorbereitete oder an die Sponsorenanwerbung heranging.
Groß-Ausstellungen wie die documenta sind auf Sponsoring angewiesen, doch gerade die letzten beiden documenten zeigten auch, wie schnell die Grenzen des Erlaubten bei der Sponsoren-Präsenz überschritten sind. Soukup verstehe oft gar nicht, was die documenta-Leiterin wirklich wolle, lautet der Vorwurf aus der Umgebung von Catherine David. Der Vorwurf muß den Geschäftsführer doppelt treffen, weil er sich im Denken und Kunst-Empfinden der Ausstellungsmacherin verwandt fühlte.
Roman Soukup verstand sich als Partner und nicht als Anwalt der documenta-Leiterin. Das verleitete ihn offenbar dazu, ihr Ratschläge zu erteilen und zunehmend auch eigenständig zu handeln. Konflikte zwischen der Geschäftsführung und künstlerischen Leitung einer Großausstellung sind nichts Ungewöhnliches, da oft genug der Geschäftsführer aus Kostengründen künstlerische Höhenflüge bremsen muß. Wenn es aber dazu kommt, daß der Geschäftsführer, wie wohl geschehen, um seine Position zu verteidigen, in den Chor jener einfällt, die Zweifel an dem richtigen Weg der künstlerischen Leiterin äußern, dann ist nichts mehr zu retten.
Insofern war die Entscheidung des Kasseler Oberbürgermeisters Georg Lewandowski richtig, als Aufsichtsratsvorsitzender der documenta Roman Soukup zu beurlauben. Alles spricht dafür, daß der Aufsichtsrat insgesamt der Vertragsauflösung zustimmen wird. Die Planung der documenta erfordert die Aktivierung aller Kräfte und kann sich an ihrer Spitze keine weiteren Reibungsverluste erlauben. Immerhin war dies der dritte öffentlich ausgetragene Konflikt, in den Soukup verwickelt war.
Noch ist ungewiß, wie die Nachfolge von Soukup geregelt wird. Eile ist auch kaum geboten, weil mit dem Prokuristen Frank Petri ein eingefuchster Vertreter zur Verfügung steht. Auf keinen Fall darf es aber dazu kommen, daß aufgrund der schlechten Erfahrungen die documenta-Leiterin nun eine zweite Management-Ebene einrichtet.
Zu lernen haben wohl alle Verantwortlichen aus dem Konflikt – vor allem diejenigen, die Roman Soukup (trotz einiger skeptischer Stimmen) zuversichtlich nach Kassel holten und ihm in der Anfangszeit zuviel Spielraum ließen.
HNA 5. 7. 1995