Kein Zweifel an der richtigen Wahl

Der Aufsichtsrat der documenta hat sich gestern nachdrücklich zu der künstlerischen Leiterin Catherine David bekannt. Probleme gibt es aber mit Geschäftsführer Roman Soukup.
Der Kasseler Oberbürgermeister Georg Lewandowski hat als Aufsichtsratsvorsitzender der documenta alle Unterstellungen zurückgewiesen, die Französin Catherine David bekomme die Planung der documenta 10 (1997) nicht in den Griff und sei überhaupt nicht die richtige Wahl. Lewandowski sowie Karl Weber, Referent des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, bekundeten gestern Abend vor der Presse einhellig, Catherine David habe in der kurz zuvor beendeten Aufsichtsratssitzung den Stand ihrer Arbeit und ihre weiteren Schritte überzeugend dargestellt. Sie sei gut auf dem Weg und auch im Zeitplan.

Demnach will Catherine David ihre inhaltlichen Vorstellungen Ende September in einer Pressekonferenz in Kassel vortragen. Danach sollen ähnliche Veranstaltungen in Wien, Paris, Los Angeles sowie anderen Städten folgen. Außerdem sei die künstlerische Leiterin dabei, sich einen Ratgeber-Kreis zu schaffen, um ihre konzeptionellen Vorstellungen überprüfen zu können. Sie habe auch genaue Vorstellungen über das Erscheinungsbild der documenta und die Wahl der Orte. Demnach sollen die zentralen Schauplätze das Museum Fridericianum, das Ottoneum und die documenta-Halle sein. Ob weitere Orte hinzu kämen, hänge auch von den Künstlern ab. Noch nicht genau entschieden sei, ob und inwieweit die Neue Galerie einbezogen werde. Erste Gespräche aber hätten stattgefunden.
Catherine David will, wie berichtet wurde, in der documenta-Geschäftsstelle eine (deutsche) Mitarbeiterin platzieren, die für Kommunikation (Pressearbeit) und Sponsoring zuständig ist. Unmittelbar damit hängt wohl zusammen, daß, wie Lewandowski sagte, die Zusammenarbeit zwischen der künstlerischen Leiterin und dem Geschäftsführer Roman Soukup nicht mehr ist, wie sie war. Da die documenta auf Dauer Reibungsverluste nicht vertrage, solle in Kürze in Einzelgesprächen geprüft werden, ob weiterhin eine Zusammenarbeit möglich oder Korrekturen notwendig seien. Der Oberbürgermeister machte klar, daß er nicht lange weitere Störungen hinnehmen wolle.

Mit der jetzt erfolgten Zusage des Bundes, 2,1 Millionen Mark zu geben, steht der öffentliche Anteil (7 Millionen Mark) des documenta-Etats. Allerdings hatten sich Stadt und Land von Bonn 400 000 Mark mehr erhofft. Lewandowski teilte ferner mit, daß nach dem Ausscheiden von Veit Loers als Leiter der Kunsthalle im Museum Fridericianum (1. August) dessen Stelle bis Ende 1996 interimistisch besetzt werden soll. Namen würden schon gehandelt, doch eine Entscheidung sei noch nicht getroffen. Auf jeden Fall, so Lewandowski, werde der Kunsthallenbetrieb nicht eingestellt, solange er Oberbürgermeister sei.

Kommentar

Abschied von Soukup?

Ob Catherine David die documenta wirklich packt, wird man erst kurz vor der Eröffnung beurteilen können. Aber selbst dann, wenn es ihr unzweifelhaft gelungen ist, werden viele, denen die zu besichtigende Ausstellung nicht paßt, das Gegenteil behaupten. Da unterscheidet sich der Kunstbetrieb kaum von der Politik: Widersacher findet man immer.
Insofern sind im Moment auch alle Rufe nach einem öffentlich präsentierten Konzept lächerlich. Bei der Art Kunstschau, die die Französin plant, wird die Künstlerliste das Konzept sein. Also müssen sich alle gedulden. Folglich bleibt im Moment nur, dem Aufsichtsrat zu glauben, daß Catherine David Vorgehensweisen aufgezeigt hat, die überzeugen. Sie
scheint entschieden auf dem Weg zu sein.
Wenn es im Moment ein Problem gibt, dann ist es ihre Zusammenanarbeit mit Geschäftsführer Roman Soukup. Immerhin weiß man seit gestern, woher der Konflikt rührt: Catherine Davids Plan, in Kassel eine Frau ihres Vertrauens zu plazieren, die für Öffentlichkeit und Sponsoring zuständig ist, richtet sich eindeutig gegen Soukup. Er ist für sie nicht die Vertrauensperson. Dies wiegt doppelt, weil gerade Soukup Presse und Sponsoren zu seinen Lieblingsfeldern gemacht hat. Da mag er sonst als Geschäftsführer gute Noten bekommen — so kann die documenta-Planung nicht fuktionieren: Entweder muß sich Soukup beugen oder er
geht.

HNA 30. 6. 1995

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