Ein Schritt zur Lösung?

Mit ihrem Rückzug aus dem documenta-Aufsichtsrat hat Kassels Kulturdezernentin den Konflikt mit der documenta-Geschäftsführung entschärft. Aber Probleme bleiben reichlich.

Wenn sich zwei Kontrahenten derart ineinander verbissen haben, daß jeder sachliche zum persönlichen Streit wird, dann ist die Sache,
um die es geht, nur zu retten, wenn einer von beiden das Feld räumt. Das gilt auch für den Konflikt, der im Umfeld der Vorplanungen für die documenta 10 (1997) in Kassel entstanden ist: Mit ihrem Angebot, sich aus dem documenta-Aufsichtsrat zurückzuziehen und nicht weiter für die Zusammenarbeit mit der documenta zuständig zu bleiben, hat die städtische Kulturdezernentin Irmgard Schleier im Kompetenzgerangel mit documenta-Gebhäftsführer Roman Soukup erst einmal zurückgesteckt.

Vordergründig hatte sich der Streit zugespitzt, als die Frage diskutiert wurde, ob das als Natprkundemuseum genutzte Ottoneum, das derzeit saniert wird, ganz oder teilweise von der documenta 1997 genutzt werden kann und damit möglicherweise die Museumsschätze auf Jahre den Interessenten verschlossen bleiben. Im Kern aber ging es um Formen des Umgangs und um Einfluß: Die Kulturdezernentin wollte nicht hinnehmen, daß sie nur über documenta-Geschäftsführer
Roman Soukup Zugang zu der französischen documenta-Leiterin Catherine David haben sollte.

Was als ein komödiantisches Spiel begann, nahm dramatische Züge an. Gerade weil Catherine David es vorzieht, in der Stille und ohne Aufgeregtheit die documenta-Planung vorzubereiten, sieht sie sich in ihrer Grundsatzhaltung bedroht. Jetzt, da die Kasseler Kulturdezernentin das Feld geräumt hat, könnte die notwendige Ruhe einkehren.

Allerdings gelingt das nur, wenn Soukup tatsächlich, wie er immer wieder verlauten läßt, der Mann des absoluten Vertrauens der Pariser Ausstellungsmacherin ist. Dagegen stehen Bekundungen aus dem Kreis der Findungskommission, die Catherine David für das Kasseler Amt vorschlug. Da wird nämlich behauptet, der umtriebige Soukup instrumentalisiere die documenta-Leiterin für seine Interessen und nehme sie über Gebühr in Beschlag. Was nichts anderes heißt, als daß ein Teil der von Irmgard Schleier erhobenen Vorwürfe nicht unbegründet gewesen war.
Doppelt schwierig wird die Situation dadurch, daß sich Kassels Oberbürgermeister Georg Lewandowski zwar mit Freude auf den Stuhl des documenta-Aufsichtsratsvorsitzenden setzt, daß ihm im Grunde aber nicht der Sinn nach Kunst steht und er bisher nicht erkennbar für die notwendigen Strukturen gesorgt hat. Nun müßte er sich also doppelt ernsthaft um das Amt und seine Aufsichtspflicht kümmern.

Der documenta-Aufsichtsrat insgesamt wird nicht umhin können, sich schnellstens mit der Situation zu befassen. Schließlich ist es das erste Mal, daß die documenta-Planung im Vorfeld nicht durch Konzept-Streit, sondern durch Gerangel am Rande in Turbulenzen gerät.

HNA 6. 3. 1995

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