Ein Funke genügt

Mißverständnissesind alltäglich. Da verspricht einer etwas und geht dabei stillschweigend von Einschränkungen aus. Der andere aber, dem das Versprechen gilt, hört nur die Zusage, ist erfreut und hält die Wenns und Abers für erledigt. Schon ist also ein Streit möglich.

So ungefähr ist der neue Konflikt zu erklären, der um das Ottoneum entstanden ist. Und weil, so darf man unterstellen, erst einmal auf keiner Seite böser Wille im Spiel war oder ist, kann der Konflikt relativ schnell aus der Welt geschafft werden.

Gewiß, die Sache mit dem Ottoneuem ist nicht einfach. Auf der einen Seite ist da ein in vielen Jahren arg vernachlässigtes und gebeuteltes Museum, das Schätze zu bieten hat, die sogar eine Anreise aus dem Ausland lohnend machen. Dieses Museum hat Rechte und Ansprüche. Es wäre in der Tat fatal gewesen, hätte man die Sanierung künstlich in die Länge gezogen, nur um 1997 der documenta ein Forum zu bieten. Dann wäre das Naturkundemuseum wirklich auf der Strecke geblieben.
Insofern war der erzielte Kompromiß, das Erdgeschoß für die museale Präsentation noch 1996 herzurichten und 1997 die documenta in die Obergeschosse einziehen zu lassen für beide Seiten gut und tragbar.

Daß dieser Kompromiß einen Pferdefuß hatte, war entweder nicht wahrgenommen oder verdrängt worden. Die Raumeinschränkungen im zweiten Obergeschoß müssen aber diskutierbar sein – nicht weil die documenta so viel mehr wert wäre als das Naturkundemuseum, sondern weil die oben geplanten Räume mit der Sammlung und ihrem Wert nichts zu tun haben, sondern bloße Dienstleistungsfunktionen besitzen. Wenn es also technisch und finanziell machbar ist, sollte dort der Weg für die documenta freigemacht werden. Denn es ist nicht vorstellbar, daß sich eine Ausstellung sozusagen im Flur abspielt, während die anderen Räume abgesperrt sind.

Es spricht viel dafür, daß dies möglich wird. Ab Montag könnte vielleicht dies alles vergessen werden. Allerdings beweist die Tatsache, daß ein so alltägliches und immer wieder mögliches Mißverständnis zum Funken wird, der ein schnelles Großfeuer entzünden kann, wie dünn die Kompromiß- und Verständigungsdecke zwischen Kulturamt und documenta-Gesellschaft ist. Konflikte gehören zum Geschäft. Und die Verantwortlichen werden dafür bezahlt, daß sie die bestmöglichst im Sinne der Stadt oder Gesellschaft lösen. Davon sind wir aber in diesem Fall noch weit entfernt.

Die Verletzungen und Verdächtigungen sitzen noch so tief, daß jeder sachliche Streit automatisch personalisiert wird. Natürlich betreiben Personen das Geschäft. Die aber sind zur Zusammenarbeit verdammt. Dies gilt umso mehr, als die Meinungsführerschaft des Landes und des Oberbürgermeisters in Sachen documenta derzeit darniederliegt.

HNA 1. 4. 1995

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