Mit Krisen-Management vertraut

Als ein beständiger Sachwalter und Ermöglicher von Kunst stellte sich der neue documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld der Presse vor.

„Ich weiß von keiner Krise,“ meinte Oberbürgermeister Georg Lewandowski als documenta-Aufsichtsratsvorsitzender und bat die Journalisten, in Bezug auf die Kasseler Großausstellung das Wort nicht mehr zu gebrauchen. Dabei war zuvor mehrfach von Krisen geredet worden. Auch Bernd Leifeld, der neue documenta-Geschäftsführer, hatte das Wort mehrfach benutzt: Er sei im Krisen-Management erprobt und habe gemeinsam mit Prof. Doll die Krise am Basler Theater bewältigt.

Daß sich das Wort derart hartnäckig im Vokabular eingenistet hatte, mußte eben doch etwas mit den Vorgängen rund um die documenta zu tun haben. Schließlich
hatte Kassels Oberbürgermeister auch betont, Leifeld solle für Ordnung sorgen und in aufgeregten Zeiten Ruhe schaffen. Der Theatermann Leifeld traut sich das zu.
Die spannendste Frage der gestrigen Pressekonferenz, warum denn ein langjähriger Intendant und Schauspieldirektor auf einmal die Sparte wechsele, bearitwortete Leifeld ganz pragmatisch: Er sehe sich bei der documenta-Geschäftsführung vor ganz ähnliche Probleme gestellt wie in seinen bisherigen Funktionen und außerdem laufe sein Vertrag als Schauspieldirektor am Theater in Basel zum Ende der Spielzeit aus. So wie er sich als Schauspieldirektor „nie als erster Künstler am Theater verstanden“ habe, so sei er nun auch bereit, in die zweite Reihe zurückzutreten, das Primat der documenta-Leiterin Catherine David zu überlassen und Kunst zu ermöglichen.

Der Kasseler Boden ist, wie berichtet, Leifeld nicht unbekannt: Von 1980 bis 1983 war er am Staatstheater Dramaturg und schließlich Schauspieldirektor
bevor er nach Tübingen und Basel ging. Bei der Pressekonferenz konnte jetzt Leifeld auch darauf verweisen, daß es in der Zeit zu einer Zusammenarbeit zwischen Theater und documenta gekommen sei. Aber, so betonte der neue Geschäftsführer, weder wolle er in die inhaltliche Planung eingreifen noch sei er für das documenta-Team der Mann fürs Theater. Auch habe er im Bereich der Bildenden Kunst keine eigenen Ansprüche, da sei er nur ein interessierter Laie.

Rund 20 Jahre lang hat Leifeld an verschiedenen Bühnen gewirkt. Jetzt zieht er einen Schlußstrich. Zum 1. Januar 1996, wenn sein Fünf-Jahres- Vertrag beginnt, wird der 46jährige mit Frau und Tochter nach Kassel umziehen. Er kann sich vorstellen, auch noch länger als die fünf Jahre Geschäftsführer zu bleiben. Den Wechsel sei er ebenso gewohnt wie den Umgang mit Personal, Spielplänen und Geld. Also sei dies ein Bruch und zugleich Fortsetzung seiner Arbeit auf einer anderen Ebene.

Bernd Leifeld will dazu beitragen, daß Catherine Davids documenta zum Erfolg wird. Sie hat ihrerseits ihre Zustimmung zu dieser Personal-Entscheidung gegeben. Daß zu dem Erfolg auch gehört, daß im Sommer 1997 die der Etat- Rechnung zugrundegelegten rund 500 000 Besucher kommen (1992 waren es über 600 000), weiß Leifeld. Kämen weniger Besucher, würde sich der Zuschußbedarf erhöhen. Dies aber kann sich die Stadt Kassel auf keinen Fall leisten.

Der neue Geschäftsführer warnte vor dem Hintergrund des mit Sony nicht zustandegekommenen Vertrages davor, die Frage des Sponsoring zu überschätzen. Im Etatansatz, so ergänzte documenta-Prokurist Frank Petri, sind nur rund 5 Prozent (knapp eine Million Mark) als Sponsorengelder angesetzt: Von den 20 Millionen Mark tragen die Stadt Kassel und das Land Hessen als Gesellschafter je drei Millionen Mark; 2,1 Millionen gibt die Kulturstiftung der Länder; 8,5 Millionen Mark werden aus dem Verkauf der Eintrittskarten erwartet, 1,2 Millionen Mark aus der Vermarktung von Publikationen und der Rest aus Zuwendungen, Zuschüssen und Lizenz-Vergaben.

HNA 31. 10. 1995

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