Verlag will Geld als Buch-Ersatz

Neue Unruhe für die documenta-Leiterin: Weil ein Buchprojekt nicht rechtzeitig zustande kam, will der Verlag von Catherine David bis zu 90 000 Mark.

Im Frühsommer verbreitete der in Regensburg erscheinende Informationsdienst Kunst, der mit internen Nachrichten und Klatschgeschichten aus der Kunstszene aufwartet, die Meldung, ein Buchprojekt der documenta-Leiterin Catherine David für die Statement-Reihe des Regensburger Verlages Lindinger + Schmid sei nicht zustandegekommen. Die Meldung paßte in die Zeitstimmung, in der viele Kritiker der documenta-Leiterin vorwarfen, sie habe noch kein schlüssiges Konzept vorlegen können. Dabei hatte das Buch mit der documenta nichts zu tun: In dem Band sollte Catherine David ältere, ihr wichtige Texte zur Kunst versammeln.

Tatsächlich war ein Vertrag abgeschlossen worden, in dem sich Catherine David verpflichtet hatte, die Texte bis zum 31. Dezember 1994 abzuliefern. Da sie aber, wie der Buchverleger Karlheinz Schmid einräumt, gewissenhaft vorgehe, wollte sie die Texte noch einmal überarbeiten, kam aber nicht dazu, dies fristgerecht zu tun. Außerdem entwickelte sich in der Übersetzungsfrage ein Streit. Catherine David wollte das Übersetzungsrecht ihrer Mitarbeiterin Franoise Joly übertragen. Die aber hatte für den Verlag, wie es heißt, überzogene finanzielle Forderungen. So wollte der Verlag für eine andere Übersetzungsmöglichkeit sorgen. Außerdem bestand er darauf, daß alle Übersetzungen aus einer Hand kommen sollten.

Schließlich erklärte der Verlag im Frühsommer das Projekt für gestorben. Im Regelfall werden die Bücher der Statement-Reihe im Taschenbuchformat mit einer Auflage von 3000 bis 4000 Stück auf den Markt gebracht. In diesem Fall erhoffte sich Schmid bis zum Ende des documenta-Jahres 1997 einen Verkauf von 10000 Stück. So errechnet er sich Aufwendungen und einen Einnahmeverlust in Höhe von bis zu 90 000 Mark, die er nun von Catherine David fordert. Die documenta-Leiterin und ihre Mitarbeiter halten diese Forderung für überzogen. Vor allem haben sie kein Verständnis dafür, daß Schmid im Sommer so abrupt das Projekt aufgekündigt habe. Documenta-Prokurist Frank Petri erklärte, daß das documenta-Büro (das eigentlich mit der Sache nichts zu tun habe) bereit sei, die documenta-Leiterin so zu unterstützen, daß das Buch noch zustandekommen könne. Es sei möglich, die Manuskripte in relativ kurzer Zeit vorzubereiten, auch in der Frage der Übersetzung könne man sich einigen. So könnte, wenn der Verlag interessiert wäre, das Buch im Sommer 1996 erscheinen und damit noch einen guten Markt finden. Der Verlag Lindinger + Schmid hingegen gibt sich zugeknöpft. Es habe keine Kooperationsbereitschaft gegeben, also bleibe man skeptisch, ob so etwas doch noch im Anlauf realisiert werden könnte. Schmid, der zugleich Herausgeber des Informationsdienstes Kunst ist, bestreitet, daß die häufigen Spitzen und Attacken gegen Catherine David in seinem Dienst etwas mit dem gescheiterten Buchprojekt zu tun hätten. Nach Einschätzung von Beobachtern ist jedoch klar:
Wäre das David-Buch auf dem Markt, gäbe es diese Attacken kaum.

HNA 15. 12. 1995

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