Maßstäbe für die Zukunft

Am Wochenende hieß es Abschied nehmen – von der Documenta 11 und auch von dem Projekt „kunstbar.tv“. Ins Leben gerufen wurde kunstbar.tv vom „Offenen Kanal Kassel“ und dem Hochschulfernsehen „univision“ mit dem Ziel, praktische Medienkompetenz im Umgang mit Kunst und Kultur am Beispiel der Documenta 11 zu vermitteln. Besucher konnten ihre Endrücke in einer selbst gestalteten Sendung thematisieren. Jeder Freitag war informativen Talkrunden vorbehalten. Projektleiter Stefan Bornemann ist mit der Resonanz sehr zufrieden. Viele Bürger hätten so einen Zugang zur modernen Kunst bekommen.

Und zur Bewertung der Documenta 11? Diese Frage machte kunstbar.tv in einer abschließenden Livesendung im Kulturbahnhof zum Thema einer prominent besetzten Diskussionsrunde. Geladen waren neben Alfred Nemeczek, langjähriger stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Magazins „art“, und HNA-Kulturredakteur Dirk Schwarze, dIX-Leiter Jan Hoet und Bazon Brock, Mitbegründer der Besucherschule bei der d5. Während die Besucherkommentare im eingeblendeten Kurzfilm größtenteils positiv klangen, war die Bilanz der Experten kritisch.

ImVordergrund standen die global-politische Gewichtung der Ausstellung und ihre formale Gestaltung. Nemeczek äußerte sich angenehm überrascht, da die Ausstellung nicht so theorielastig war, wie viele auf Grund der vorausgegangenen Diskussions-Plattformen befürchtet hatten. Unreflektiert bleibe jedoch, was von diesen Gesprächen letztlich verwirklicht worden sei.

Jan Hoet kritisierte, dass die Kunst einerseits zu sehr auf Information und Auswertung versteift und daher zu wenig autonom umgesetzt worden sei; wodurch ihr die politische Brisanz fehlte. Andererseits habe er schöne Aspekte entdeckt und ironische, gesellschaftskritische Bezüge, die, so glaubt er, viele nicht erkannten.

Bazon Brock formulierte mit dem Urteil, die ausgestellte Kunst habe sich lediglich einer reflektierenden und therapeutischen Sprache bedient, die wohl schärfste Kritik. Dirk Schwarze hingegen betonte die inhaltliche und formale Bandbreite der vorrangig bildhaften und komplexen Werke, die, durch die Führungen unterstützt, viele Besucher angesprochen habe. Seiner Einschätzung, die Documenta 11 habe mit ihrem globalen Ansatz unwiderrufliche Maßstäbe gesetzt, stimmten seine Gesprächspartner zu. Einig war man sich auch über den Zugewinn durch die Binding-Brauerei. Sie habe für den Mangel an Außenobjekten entschädigt.
Alle „kunstbar.tv“-Sendungen sind abrufbar über das Internet: www,kunstbar.tv
Kirsten Dieckerhoff
HNA 15. 9. 2002

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