Bilder zum Mitreisen

Sein Medizinstudium hat er erfolgreich beendet, doch er praktiziert nicht als Arzt, sondern lebt für die Malerei, der er sich seit seinem 16. Lebensjahr verschrieben hat: Nicola de Maria (Jahrgang 1954), in Turin und Foglianise lebend, ist einer der wichtigsten Repräsentanten jener Künstler, die in den letzten beiden Jahren als „junge Italiener“ international für Aufregung sorgten und die wesentlich dazu beitrugen, daß die Wege zu einer sinnlichen, direkten und emotionalen Malerei geebnet wurden.

Obwohl jeder dieser jungen Italiener ein sehr eigenes Verhältnis zur Kunst hat, gibt es Gemeinsamkeiten im Denken und Arbeiten: Die Farben leuchten intensiv und sind oft sehr warm; mit viel Sinn für Pointen werden die traditionellen Bildrahmen übersprungen und Wände erobert oder verselbständigen sich Einzelmotive zu Objekten, die aus dem Bild in den Raum vordringen; und es werden Geschichten erzählt und Träume ausgesponnen.

Nicola de Marias Bilder sind sehr poetisch, wirken heiter und einladend. Für die documenta 7 trug er seine Hauptarbeit direkt auf eine Wand des Fridericianums auf – ein Wandbild, das mit seinen leuchtend-warmen Farben den Betrachter regelrecht in sich hineinzieht. Es entstand in tagelanger Feinarbeit, denn de Maria arbeitet mit einem sehr kleinen Pinsel, malt kleine Flächen aus, tritt zurück, um dann den Farbton zu verdichten oder zu verändern.

Nebenan liegt eine kleine Farbstudie auf Papier. Sehr bald merkt der Zuschauer, daß dies nur eine Ideenskizze ist. Das Bild entwickelt sich nicht an Hand des Entwurfs, sondern in der Fläche. Der Maler lebt in dem Bild und findet erst in ihm zur endgültigen Form. „Foglianise – Kassel / Reise aus dem Reich der Blumen ins Innere des Malers“ heißt das Wandbild. Zwei bemalte Koffer, die als Objekte in das Wandbild einbezogen sind, verstärken die Wirkung des poetischen Titels und fordern förmlich dazu auf, mit in das Bild einzusteigen und sich auf die Reise zu begeben.

Unkompliziert sieht de Maria auch sein Verhältnis zur Malerei: Nach den billigen Heiligenbildchen befragt, die er neben seinen Arbeitsplatz im Fridericianum geklebt hat, spricht er von seinen Schutzheiligen. Er sehe nicht unbedingt einen Unterschied zwischen diesen Bildchen und seinem Gemälde, Arbeit sei schließlich wie Religion, wenn er arbeite, gleiche er einem Mönch, meint er strahlend.

HNA 9. 6. 1982

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