Im Herzen der documenta 7, im 1. Stock des Museums Fridericianum, unmittelbar vor seinen Bildern, erhielt gestern der Düsseldorfer Maler Gerhard Richter den mit 10 000 DM dotierten Kasseler Arnold-Bode- Preis. Damit war für die Preisüibergabe nicht nur ein sinnfälliger und schöner Rahmen gewählt, sondern auch indirekt der Anspruch angemeldet worden, diese Auszeichnung zu einem documenta-Preis aufzuwerten. Immerhin war ja auch der Namenspatron Arnold Bode Mitbegründer und langjähriger Motor der documerita.
Gerhard Richter, 1932 in Dresden geboren, gehört seit zwei Jahrzehnten zu den richtungsweisenden deutschen Malern. Und dies nicht etwa, weil er einen Stil geprägt hätte, sondern weil er sich jeder stilistischen Festlegung entzog. Er dachte und malte in diesen 20 Jahren weit radikaler und konsequenter in Stilsprüngen, als es die Maler der neuen wilden Generation vermochten.
Richter, längst auch Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie, suchte stets die Außenseiterrolle, die Gegenposition: Bekannt als Schöpfer fotorealistiseher Gemälde, zeigte er in der documenta 5 (1972) Farbtafeln, die als Bilder jede Annäherung an ein Bild vermieden. Zehn Jahre später präsentiert er in der documenta 7 abstrakte Bilder, die in ihrer grellen Buntheit den Farbauftrag und das Zufallsspiel der Farben allein zum Thema haben. Diese geplanten Stilbrüche charakterisieren eindeutig Richters Position: Er bedient sich nicht der Malerei, um sie als Medium zu gebrauchen und mit ihrer Hilfe etwas darzustellen, sondern setzt sie und ihre unterschiedlichen Gestaltungsmittel ein, um das Malen selbst zum Gegenstand werden zu lassen.
Das forschende Malen über Malerei wird denn auch in der Verleihungsurkunde der Arnold-Bode-Stiftung herausgestrichen. Und mit Blick auf die neuen Werke heißt es, daß diese wie so oft, Publikum, Kritiker und Künstler-Kollegen irritieren, provozieren und schließlich nachdenklich stimmen. In der Tat irritiert Richter, denn immer wieder bringt er schöne Bilder hervor, ohne die vordergründige Schönheit zu meinen.
Auch Karl Oskar Blase bezog sich in seiner Laudatio auf die irritierenden Elemente in dem malerischen Werk. Er sieht in Richter einen Künstler, der sich dialektischer Mittel bedient, der mit seiner Malerei mal widerlegend, mal bestätigend wirkt. Richter sei Aufklärer und Verklärer zugleich, ein Künstler, der die Möglichkeit gefunden habe weiterzumalen, nachdem schon alles gemalt worden sei.
Kassels Oberbürgermeister Eichel ging in der Würdigung des Preisträgers von Richters Beitrag zum documenta-Katalog aus, in dem dieser unter anderem die Kunst als die höchste Form von Hoffnung definiert. In seinem kurzen Dankeswort erweiterte Richter diese Aussage: Kunst sei das eigentliche Gegenteil von Dummheit und Gewalt.
HNA 23. 9. 1982