documenta: Edy de Wilde beauftragt

Edy de Wilde, Direktor des Amsterdamer Stedelijk Museums, ist gestern vom documenta-Aufsichtsrat in Kassel beauftragt worden, ein Leitungsgremium für die documenta 8 (1987) zu bilden, dem er als „primus inter pares“ (erster unter gleichen) vorstehen sollte. Er wurde gebeten, zu diesem Zweck insbesondere Gespräche mit Germano Celant, Wulf Herzogenrath, Kasper König und Harald Szeemann zu führen, die grundsätzlich ihre Bereitschaft zur Mitarbeit bekundet hatten. de Wilde, der Ende nächsten Jahres als Direktor des angesehenen Amsterdamer Museums pensioniert wird und dann frei wäre für die die Arbeit an der documenta, soll bis Anfang September dem Aufsichtsrat einen Bericht über seine Gespräche und seine daraus entwickelten Vorstellungen vorlegen, auf dessen Grundlage dann die formelle Berufung des Gremiums unter seiner Leitung erfolgen könnte.

Mit diesem Beschluß folgte der Aufsichtsrat einer entsprechenden Empfehlung einer Expertenkommission, die jetzt in zweiter Runde zwei Tage lang über Kandidaten und Konzepte für die documenta 8 diskutiert hatte. Am Ende der ersten Runde waren mit Celant, Herzogenrath, König, de Wilde und Zweite fünf Kandidaten benannt worden; der Münchner Armin Zweite zog jedoch „aus persönlichen Gründen“ vor einigen Tagen seine Bewerbung zurück. Auch de Wilde schien seine Kandidatur nicht aufrecht zu halten, doch galt sein Rückzieher dem Auswahlverfahren, nicht aber dem Interesse an der documenta-Leitung; er wollte sich nicht einem rivalisierenden Wettbewerb stellen und reiste deshalb nicht an. Ähnliches galt auch für Harald Szeemann, dessen Name immer wieder ins Spiel gebracht wurde – er hielt sich für die documenta-Leitung bereit, wollte aber nicht kandidieren (öbwohl er zu dem Expertentreffen kam).

Sollte im September endgültig die Berufung de Wildes zustandekommen, würde unmittelbar auf den Eindhovener Museumsdirektor Rudi Fuchs ein zweiter Holländer als Leiter der Kasseler documenta folgen. Allerdings stünde nun an der Spitze dieser Ausstellung eine Gruppe von Machern, die relativ selbständig ihre Abteilungen. gestalten würden. Daß sich Findungskommission und Aufsichtsrat nach der gezielten Einzel-Berufung von Fuchs wieder für ein Team-Modell entschieden haben, ist unter anderem in der Organisationsstruktur begründet; die de Wilde in seinem schriftlichen Konzept vorgeschlagen hat.

Kassels Oberbürgermeister Eichel, zugleich Vorsitzender des documenta-Aufsichtsrats, unterstrich in einer Pressekonferenz, daß für eine zum Gremium erweiterte documenta-Leitung der gleiche Etat-Rahmen zur Verfügung stehe wie für einen einzelnen künstlerischen Leiter. Sollten sich Probleme bei der Bildung des Leitungsgremiums ergeben, müßte erneut die Findungskommission einberufen
werden.

HNA 16. 6. 1983

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