Bei der Suche nach dem künstlerischen Leiter für die documenta 8 (1987) sind am Wochenende in Kassel von einer 30köpfigen Findungskommission fünf Ausstellungsmacher in die engere Wahl gezogen worden: Kasper König (Köln), Wulf Herzogenrath (Köln), Armin Zweite (München), Edy de Wilde (Amsterdam) und Germano Celant (Genua). Während Zweite innerhalb von 14 Tagen entscheiden will, ob er sich um diese Aufgabe bewirbt, halten sich die anderen als Kandidaten bereit. Die Bewerber sollen bis Mitte Mai ihre Vorstellungen über die inhaltliche Gestaltung der documenta 8 und ihre künstlerische Organisationsstruktur in Konzeptpapieren entwickeln, damit die Findungskommission Mitte Juni in Kassel möglichst zu einem einheitlichen und endgültigen Votum kommen kann.
König und Herzogenrath waren bereits bei der Vorbereitung der documenta 7 als Kandidaten im Gespräch gewesen. In der Zwischenzeit la sich König als Organisator der Kölner Westkunst (1981) vörgestellt: die documenta 8 würde er wie die Westkunst-Ausstellung gemeinsam mit dem Kritiker Laszlo Glozer (München) konzeptionell erarbeiten wollen. Nach Königs Ansicht sollte sich die nächste documenta- bei einer überschaubaren Zahl von Namen
– auch der urbanen Kunst und den neuen Medien öffnen, ohne an Gattungsbegriffen zu scheitern.
Herzogenrath (Direktor des Kölnischen Kunstvereins und Mitarbeiter der documenta 6) plädierte dafür, die documenta 8 gegen die marktorientierten Großausstellungen der jüngsten Zeit abzusetzen und wünschte sich drei Schwerpunkt-Bereiche – Außenskulptur/fiktive Architektur, Raum-Inszenierungen und das kleine Format.
Der Italiener Germano Celant, der bei der documenta 7 zum Team von Rudi Fuchs gehörte, stellt sich die nächste documenta als einen Ort der globalen Kreativität vor, an dem sich alle künstlerischen Disziplinen (bildende Kunst, Theater, Film, Literatur, Architektur und Musik) zu einem kulturellen Gesamtbild der 80er Jahre vereinigt werden.
Der Direktor des Amsterdamer Stedelijk Museums de Wilde ist der älteste unter den Kandidaten: Er wird Ende nächsten Jahres pensioniert. Er denkt sich die documenta 8 als eine Ausstellung nicht von aktuellen Richtungen, sondern von aktuellen Persönlichkeiten, wobei jüngste Kunst vor dem Hintergrund der großen Werke älterer Künstler gezeigt werden müsse.
Da Armin Zweite, der Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus (München), nicht nach Kassel geladen war und erst im Verlauf der Beratungen ins Gespräch kam, wurde er nicht aufgrund eines Ideenentwurfs, sondern wegen seiner anerkannten Ausstellungsarbeit vorgeschlagen. Bisweilen hatte die Kandidatenliste 16 Namen umfaßt, wovon allein zehn Interessenten der Findungskommission angehörten. Bazon Brock meldete seinen Wunsch an, in einem documenta-Team wieder eine Besucherschule zu erarbeiten.
Der im Vorfeld der Beratungen geführte Streit um die Zusammensetzung der Findungskommission (ihr war Einseitigkeit im Sinne von Rudi Fuchs vorgeworfen), flammte zwar hier oder da wieder auf, war durch eine Reihe Von Nacheinladungen entschärft worden.
Einig waren sich die Kunstexperten, daß eine documenta nur bei einer Bereitstellung des gesamten Müseums Fridericianum stattfinden könne. Sie unterzeichneten daher folgende Resolution: Die documenta wird seit ihrem Bestehen mit dem Ausstellungsgebäude des Museums Fridericianum identifiziert. Die Zukunft der documenta hängt deshalb davon ab, daß dieses Gebäude in seiner derzeitigen Beschaffenheit für diese Ausstellung ohne Einschränkung erhalten bleibt.
Für die berechtigten Interessen der Staatlichen Kunstsammlungen hinsichtlich der Unterbringung der naturwissenschaftlich-technischen Abteilungen empfehlen die Unterzeichner eine Lösung, die den Weiterbestand der documenta nicht gefährdet. Für eine Nutzung der Räume des Fridericianums zwischen den documenta-Ausstellungen sind temporäre Veranstaltungen geeignet, die die bauliche Substanz
nicht verändern.
HNA 28. 2. 1983