Weg von der Bilderflut

Edy de Wilde und Harald Szeemann planen gemeinsam documenta 8

Die Vorarbeiten für die documenta 8 (1987) in Kassel laufen an. Gestern steckte der Aufsichtsrat der documenta den Finanzrahmen ab, der knapp acht Millionen DM umfassen soll, und zugleich stellten sich Edy de Wilde (64) und Harald Szeemann (49), die als gleichberechtigte Partner die documenta 8 gestalten wollen, erstmals gemeinsam der Presse.

Zum jetzigen Zeitpunkt lehnten beide inhaltliche Festlegungen ab. Da sie (wie Fuchs bei der documenta 7) keine thematische Ausstellung planen, sondern „starke Künstlerpersönlichkeiten vorstellen wollen, wird man auch nicht so bald auf ein Konzeptpapier hoffen dürfen.

Immerhin wurden zwei Dinge deutlich: Die documenta 8 wird keine Ausstellung, die vornehmlich oder ausschließlich der Malerei huldigt. Harald Szeemanns Meinung nach gibt es einen deutlichen Trend weg von der Bilderflut; die neue Malerei könne vielleicht schon 1985 überlebt sein. Stattdessen sieht Szeemann starke Tendenzen zur raumbezogenen Skulptur, die ihrerseits in enger Beziehung zur Malerei stehe.

Zum anderen rückte Edy de Wilde teilweise von seinem Konzeptpapier ab, das er im Frühjahr vorigen Jahres eingereicht hatte. In diesem Papier hatte er eine zweigliedrige documenta vorgeschlagen, die aus einem zentralen Kern, der Ausstellung, und einer Ereignisebene (Aktionen, Theater, Performance) bestehen solle. Nachdem die Tandem-Lösung (de Wilde mit Szeemann) gefunden sei, habe der zweite Teil an Bedeutung verloren.

Beide Ausstellungsmacher bekannten sich zu einer strengen Auswahl. Harald Szeemann, der bereits die documenta 5 (1972) künstlerisch verantwortet hat, weiß aber auch um die Schwierigkeiten: Jedesma1 werden vorher Idealvorstellungen über eine documenta formuliert. Ideal wären sechs Künstler – für jeden ein Geschoßflügel….Doch meistens explodiert es dann.“

Die Entscheidung des Amsterdamer Museumsdirektors de Wilde, anstelle eines mehrköpfigen Leitungsteams nur einen Partner für die documenta-Leitung hinzuzuwählen, war vielerorts mit Skepsis aufgenommen worden. Und es gab bereits Propheten, die vorrechneten, wann sich wohl die beiden überwerfen würden oder wann nur noch Szeemann das Sagen haben werde. In der Pressekonferenz traten beide dem entgegen: Sie bekannten sich zu dieser Lösung und bekräftigten, daß sie ohne Aufgabenteilung gemeinsam die Künstler für die documenta aussuchen wollten, zumal sie, was die wichtigen Künstler angehe, die gleichen Prioritäten setzten. Szeemann: „Zwei starke Egos versuchen ein Wir zu bilden.“

Für die beiden documenta-Leiter haben im Moment die Raumprobleme Vorrang. Szeemann begrüßte, daß die Grundbedingung „das ganze Fridericianum“ erfüllt sei, schränkte allerdings ein, daß der jetzige Ausbauzustand mit den Zwischenwänden und dem eingezogenen Zwischengeschoß (zweiter Stock) unbefriedigend sei. Er werde folglich für die Wiederherstellung der baulichen Gliederung von 1976 kämpfen. Außerdem wäre er für den Wiedereinbau des „großartigen zentralen Treppenhauses.

Um diese Fragen soll in den nächsten Wochen gerungen werden. Ulrich Schmidt, Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen (die im Fridericianum Hausherr bleiben werden), zeigte ein gewisses Verständnis für Szeemanns Wünsche. Überrascht vermerkte er jedoch, daß Szeemann in der Neuen Galerie einen zweiten wichtigen Standort für die documenta sehe. Dieser Standort war bei den jüngsten documenten viel gescholten worden; andererseits haben die Kunstsammlungen den Ehrgeiz, nicht nur Platz für die documenta zu schaffen, sondern auch einmal documenta-Besuchern ihre gewachsene zeitgenössische Sammlung vorzuführen.

HNA 25. 2. 1984

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