Erste Konturen zeichnen sich ab

Sein Konzept für die Kasseler documenta 8 (1987) will er erst im kommenden Frühjahr der Öffentlichkeit vorstellen. Doch erste Konturen zeichnen sich bereits ab: Für Manfred Schnekkenburger, der nach der documenta 6 (1977) nun zum zweiten Mal die künstlerische Leitung dieses „Museums der 100 Tage“ übernommen hat, steht schon heute fest, daß die Ausstellung nicht in Abteilungen (Malerei, Plastik, Zeichnung) gegliedert wird, sondern von einzelnen Künstlern geschaffene Situationen, Raumstrukturen und Werkkomplexe zeigen soll. Natürlich werden sich dabei, so erklärte Schneckenburger in einem Gespräch mit unserer Zeitung, Schwerpunkte und Gruppierungen herausbilden. Der einzelne Künstler und sein Beitrag würden aber deutlich in den Vordergrund rücken.

Insofern siedelt Schneckenburger sein Konzept in größerer Nachbarschaft zur Grundidee der von Rudi Fuchs verantworteten documenta 7 an als zur von ihm selbst mitgestalteten documenta 6, die durch die Gliederung in Abteilungen geprägt war. Allerdings will Schneckenburger keine Künstler einladen, sondern Arbeiten. Das heißt: Es werden nicht nur prominente Namen, sondern Werke und Projekte nach Qualitäts- und Aktualitätsgesichtspunkten ausgesucht.

Das konkrete Konzept und das sich daraus ergebende Ausstellungs- und Inszenierungsprogramm will Schneckenburger gemeinsam mit einem fünfköpfigen internationalen Arbeitskomitee aufstellen, das er in Kürze benennen will. Auch in diesem Komitee wird die Arbeitsteilung nicht nach Sparten, sondern höchstens nach regionalen Gesichtspunkten erfolgen. Daneben erwartet Schneckenburger von Korrespondenten in verschiedenen Ländern Informationen über die dortige Kunstentwicklung. Besonders geprüft werden soll dabei die Situation der Malerei, die „in den letzten zehn Jahren unheimlich verbraucht worden sei“. Schneckenburger führt aber schon jetzt erste Gespräche mit Künstlern über einzelne größere Projekte, die eine längere Vorlaufzeit (möglicherweise auch zur Finanzierung) brauchen.

Weit mehr als sein Vorgänger Rudi Fuchs denkt er dabei auch an den Außenraum. Und so sieht es Schneckenburger als einen Glücksfall an, daß er neben dem Museum Fridericianum noch einmal die Orangerie nutzen kann, durch die sich erst der Anknüpfungspunkt für die Freiplastik in der Aue ergebe. Besondere Schwerpunkte für die Außenskulptur könnten nach Schneckenburgers Vorstellung die Treppe zur Aue, die Wiese vor der Orangerie sowie, ausgehend von Kirkebys Backsteinskulptur und Oldenburgs Spitzhacke, das Fuldaufer (flußabwärts) werden.

Für die documenta 8 strebt Schneckenburger eine feste Zusammenarbeit mit dem Staatstheater Kassel an. Das Theater werde seine Spielzeit verlängern, um zumindest während der ersten 14 documenta-Tage noch ein volles Programm bieten zu können. Außerdem sei geplant, den neuen Theatersaal wechselweise zu benutzen – mal für kleine Theateraufführungen, mal für das Performance-Programm der documenta.

Nachdem vielfach beklagt worden war, daß nach Arnold Bodes Tod die direkte Verknüpfung zwischen documenta und Hochschule in Kassel verlorengegangen sei, hat nun für das kommende Wintersemester mit Schneckenburger erstmals der documenta-Leiter eine Gastprofessur an der Gesamthochschule erhalten.

HNA 4. 9. 1985

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