Hektik beim Endspurt

In zwei Tagen wird in Kassel für 100 Tage die achte documenta eröffnet. Aber bereits ab heute mittag werden die Journalisten aus aller Welt einen ersten Blick in die Ausstellung werfen können.
24 Stunden zuvor war für den Außenstehenden kaum vorstellbar, daß alles noch rechtzeitig fertig werden könnte.

Vor allem in der Orangerie, in die die Handwerker erst spät eingezogen sind, standen sich Künstler, Elektriker und Maler ständig gegenseitig im Weg. Die Architekten, die eingeladen wurden, ihr Ideal-Museum in einer räumlichen Inszenierung vorzustellen, hätten ihre Pläne zu spät geliefert und damit alle in Verzug gebracht, klagt die Ausstellungsleitung. Die Handwerker hingegen meinen, sie seien zu spät gerufen worden und müßten nun durcharbeiten. Diese Hektik im Endspurt gehört zum Erscheinungsbild der großen internationalen Ausstellungen. Keine Rechtfertigung zwar, aber ein kleiner Trost.

32 Jahre nach der ersten documenta präsentiert sich diese Weltkunstschau als eine gefestigte Institution. Die Werbung läuft professionell, der Presseandrang ist so groß wie nie und auch das Begleitprogramm in Kassel – vom Theaterfestival bis hin zu den Parallelausstellungen
– war nie zuvor so reichhaltig. Die Inthronisierung eines documenta-Schreibers (Peter Rühmkorf) ergänzt das künstlerische Fundament nun auch noch durch eine literarische Stütze.

documenta für immer? Nicht von vorneherein und nur dann, wenn die Ausstellung auch für die internationale Kunstwelt zum Ereignis wird. Allerdings wird auch hier das Medienspektakel ein Eigengewicht entfalten: An 14 Sonntagabenden wird die documenta in der ARD präsent sein, und die Kunstzeitschrift „art“ schickte ihr jüngstes Heft mit einer documenta-Titelgeschichte bereits der Ausstellung vorweg. Die Titelzeile „Alles über die neue documenta“ versprach aber zuviel. Wer alles darüber erfahren will, muß schon die fertige Ausstellung abwarten.

HNA 10. 6. 1987

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