Acht bunte Gestalten stellen sich für die Fotografen vor einem Schaufenster am Königsplatz auf.
Dann verschwinden sie im dazugehörigen Kaufhaus und kehren wieder, alle mit einem Rucksack angetan. Erneut stellen sie sich in Reih und Glied auf, um danach im Gänemarsch zum nächsten Schaufenster eines anderen Geschäftes zu eilen. Hier wird den acht im Geschäft ein weißes Polohemd verpaßt. Beim nächsten Zielpunkt gibt es weiße Socken; es folgen eine Jogging-Hose, eine blaue Lederkrawatte, eine blaue Jeans-Jacke und weiße Sportschuhe.
Am Ende des Innenstadt-Rundgangs stehen die acht vor der achten Station als Uniformierte – alle gleich angezogen (ihre alten Sachen sind in den Rucksäcken verstaut) und zum guten Schluß mit einem Souvenirkoffer ausgestattet. Das also ist aus den Individualisten geworden, die auszogen, die Welt kennenzulernen: Versehen mit ihren Andenken, kehren sie als gleichförmige Massentouristen zurück.
Ein amüsantes Lehrstück, das gestern die acht Künstler Arno Arts, Wolfgang Hainke, Niall Monro, Jürgen O. Olbrich, Grant Poier, Alain-Martin Richard, Chuck Stake und M. Vänci Stirnemann in der Kasseler Innenstadt vorführten. Die Aktion verstand sich als ein Teil des mehrtägigen Performance-Projekts City Souvenir zur documenta 8.
Der Kasseler Jürgen O. Olbrich, dessen Kunstraum Kunoldstr. 34 eine mittlerweile bekannte Aktionsgalerie ist, hatte sieben Künstlerfreunde eingeladen, zur documenta ein Projekt zum Souvenir-Sammeltrieb der Reisen zu machen. Jeder der acht brachte zur Performance aus seiner Heimatstadt packenweise Werbematerialien mit, die zur Souvenir-Skulptur gestapelt und von den dankbaren Passanten in den letzten Tagen wieder abgebaut wurde.
Dem gestrigen spektakulären Eröffnungsrundgang, den Elisabeth Jappe (Performance-Planerin der documenta 8) per Megaphon mit Kommentaren begleitete, werden bis 5. Juli weitere Aktionen rund um das Reise- und Sammel-Verhalten folgen. Unabhängig davon hat jeder der Künstler ein Schaufenster der acht Innenstadt-Geschäfte gestaltet – als Denkmäler des Andenkenversands (Olbrich hortete in einem Fenster 34 Briefkästen) oder als eindrucksvolle Raumbilder zur Geschichte und zum Charakter ihrer Heimatstadt.
HNA 23. 6. 1987