Abriß-Kunst

Da kämpft Kassel um den Erhalt der documenta, da wird in monatelangem Ringen das Fridericianum als documenta-Standort gesichert und da schwingt sich trotz aller Finanzknappheit die Stadt erstmals dazu auf, Werke aus der documenta (7) anzukaufen, und dann passiert dies: Die Backstein-Skulptur des Dänen Per Kirkeby (Bild), die anläßlich der vorigen documenta auf einem baumbestandenen Gelände zwischen Fulda-Ufer und Orangerie errichtet wurde und die der Stadt als Geschenk angeboten wurde, soll abgerissen werden.

Oft genug war früher beklagt worden, daß die documenta in Kassel keine sichtbaren Spuren hinterlassen habe, und meist ist der Geldmangel als Entschuldigung vorgebracht worden. Nun wird mal kein Geld verlangt, da paßt die Sklulptur auch nicht In die Landschaft.

Warum? Die erste Antwort lautet wahrscheinlich: Weil diese Arbeit in ihrer zwar klaren, aber doch rätselhaft verschlossenen Form eher abweisend wirkt und daher auf Anhieb nur wenige Freunde findet. Dabei müßte dieses Gebilde, das ein Haus sein könnte, jedoch keines ist, das aber auch als Monument, als Grabmal oder einfach als phantastische Architektur verstanden werden könnte, eben deshalb spannend wirken, weil es keine schnellen Lösungen anbietet.

Offizielle Version für den Abriß- Plan aber ist die: Die Skulptur steht auf dem Boden der Karlsaue, die von ihrer Anlage her ein Kulturdenkmal sei. Die Genehmigung für den Backstein-Bau habe nur für die Dauer der documenta 7 gegolten. Jetzt müsse der wahre Zustand des Denkmals wiederhergestellt werden. Der Kirkeby-Bau beeinträchtige sowohl das Bild der Karlsaue als auch den Blick auf die Orangerie.

Das kann doch nicht wahr sein! Stört diese an den Rand gerückte, im Sommer zwischen Bäumen
fast versteckte Skulptur das Bild mehr als der vollbesetzte Parkplatz nebenan oder als der umstrittene Restaurierungs-Zustand der Orangerie? Wird damit nicht der Denkmalsgedanke ins Gegenteil verkehrt?

Grundübel der Situation ist, daß es sich hier um sozusagen exterritoriales Gebiet der Stadt Kassel handelt: Eigentümerin der Karlsaue ist die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten des Landes Hessen. Sie soll sogar gedroht haben, die Karlsaue nicht mehr für die documenta zu öffnen, wenn das Kirkeby-Werk bleibe. Heißt das, daß sich hier nie etwas ändern darf, keine anderen Skulpturen hinzukommen dürfen? Die Diskussion darüber muß eröffnet

Jetzt aber geht es erst einmal um das Kirkeby-Werk. Andere Städte würden sich darum reißen, so ein schlichtes und die Phantasie bewegendes Objekt zum Null-Tarif zu bekommen. Hier aber reichen die Gedanken nur bis zur Abriß-Kunst. Claes Oldenburg hat nicht zufällig in der Spitzhacke ein Symbol für Kassel erkannt.

HNA 18. 2. 1984

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