Die Backsteinskulptur des Dänen Per Kirkeby, 1982 zur documenta neben der Kasseler Orangerie erbaut, soll nun doch abgerissen werden. documenta-Geschäftsführer Angermann teilte dies, wie wir auf Umwegen erfuhren, jüngst dem Aufsichtsrat mit, nachdem die Stadt Kassel das Angebot der documenta GmbH, die Skulptur als Geschenk zu übernehmen, abgelehnt hatte.
Dieser Ablehnung war eineinhalb Jahre zuvor die stolze Mitteilung der documenta-Stadt vorausgegangen, die Skulptur könne erhalten bleiben, nachdem das Land als Eigentümer des betreffenden Grund und Bodens grünes Licht dazu gegeben hatte. Dieses Landesvotum (abgegeben vom damaligen hessischen Kultus- und heutigen Finanzminister Krollmann) war erst durch öffentliche Proteste und auch eine eindeutige Stellungnahme von Harald Szeemann, der damals mit Edy de Wilde auf die documenta 8 hinarbeitete, erreicht worden.
Sogar der documenta-Aufsichtsrat, in dem die Stadt und das Land vertreten sind, hatte sich im Frühjahr 1984 für die Erhaltung der stillen und geheimnisvollen Kirkeby-Skulptur starkgemacht. Der Künstler hatte kein Honorar verlangt; und die documenta hatte sogar der Stadt angeboten, die für den Abriß bereitgestellten 10 000 Mark zur Bauunterhaltung beizusteuern.
Kirkeby selbst, damals um sein Einverständnis gebeten, hatte erfreut einen Schenkungsbrief an die Stadt geschickt. Für ihn hatte die Übernahme der Skulptur durch die Stadt immer in der Luft gelegen, wie er gestern auf telefonische Anfrage erklärte. Seine Kasseler Skulptur habe zu ähnlichen Aufträgen für andere Städte geführt (die diese teuer bezahlen mußten). Von Schwierigkeiten bei der
Bauunterhaltung sei ihm nichts bekannt. Umso überraschter reagierte er auf den plötzlichen Sinneswandel in Kassel.
Auch Rudi Fuchs, der Leiter der documenta 7, bekräftigte gestern uns gegenüber noch einmal seine Position: Er habe sich von Anfang an dafür eingesetzt, auch die Kirkeby-Skulptur über die documenta 7 hinaus stehen zu lassen. Sie sei unter baupolizeilicher Aufsicht errichtet und mit einem Fundament von einem halben Meter versehen worden. Ein Abriß sei unnötig, bedauerlich und sei eine Entscheidung gegen die Kunst.
Warum dennoch der Kasseler Beschluß, der gar nicht zu dem Bestreben, als Kunststadt zu gelten, paßt? Es werden gleich mehrere Begründungen geliefert: Der Backsteinbau müsse aufwendig erneuert werden, um erhalten werden zu können; die Skulptur stehe am falschen Platz; und die traditionelle documenta-Fläche dürfe nicht durch bleibende Werke verstellt werden. Gerade die Vermischung der Argumente beweist, daß keines für sich allein stichhaltig ist.
Es geht nicht nur um Kirkeby, sondern um die Frage, wie Kassel mit den Zeugen der documenta umgeht. Nicht umsonst hatte Kasper König in seinem Konzept für die documenta 8 Oldenburgs Spitzhacke und Kirkebys Skulptur als feste Größen für die Außenplastik angenommen. Und wenn man Schneckenburgers Planung recht versteht, dann werden Skulpturen im Sinne Kirkebys ins Zentrum der nächsten documenta rücken
Warum also Abriß? Die Orangerie und die Karlsaue leiden unter diesem stillen Bau weniger als unter dem Bild des überfüllten Parkplatzes daneben oder den nostalgischen Laternen. Und die Erhaltungskosten dürften weit niedriger sein als der Ankauf eines vergleichbaren Werkes.
HNA 14. 12. 1985