Trauriges Ende

Alle Rettungsversuche kamen zu spät: Per Kirkebys Backstein-Skulptur, 1982 zur documenta 7 neben der Orangerie errichtet, ist abgerissen worden. An der Stelle, an der der stille und rätselhafte Bau stand, ist der Boden sauber planiert. Ein weiteres Kapitel in der Geschichte von der Beseitigung der documenta-Zeugen ist beendet.

Fast tragisch mutet an, daß sich zuallerletzt noch ein Schutzengel für die bedrohte Skulptur gefunden hatte: Die „art promotion“ in Kassel, eine Initiative zur Förderung der städtischen Kultur, wollte die Patenschaft übernehmen und aus eigenen Mitteln die Bau-Unterhaltung der Skulptur ermöglichen. Doch als die „art promotion“ dieses Angebot documenta-Geschäftsführer Angermann unterbreitete, hatte das beauftragte Abbruch-Unternehmen schon volle Arbeit geleistet.

Oberbürgermeister Hans Eichel behielt leider mit seiner Prophezeiung vom Dezember recht, uns bliebe nur noch übrig, einen Nachruf auf diesen Kunstbau zu schreiben. Auch angesichts der Tatsache, daß er nun selbst das Kulturdezernat übernehmen wollte, blieb er seinem Sinneswandel treu: Er vertrat jetzt die Meinung, daß die Backstein-Skulptur am falschen Platz stehe und das Erscheinungsbild von Orangerie und Aue-Park störe sowie die Entfaltungsmöglichkeiten der nächsten documenten beeinträchtige. Jüngstes Hilfsargument gegen den Fortbestand der Skulptur war, daß sie aufwendig restauriert werden müsse.

Mag sein, daß der Bau nicht sehr populär war. Umso mehr hätte er des städtischen Schutzes bedurft. Blamabel wird dieser Fall für die documenta-Stadt aber dadurch, daß sie sich vor zwei Jahren aufgrund öffentlicher Proteste und der eindeutigen Voten vom Land und des documenta-Aufsichtsrates (in dem die Stadt eine wichtige Stimme hat) zum Erhalt der Kirkeby-Skulptur durchgerungen hatte. Und auf Bitten aus Kassel stellte der dänische Künstler eine Schenkungsurkunde aus.

Voller Stolz wurde aus der documenta 7 ein sehr kraftvolles Gemälde von Kirkeby für die Neue Galerie angekauft. Um den Künstler zu verstehen, muß man daneben seine völlig gegensätzlichen, sehr strengen und verhaltenen Skulpturen sehen. Kassel hatte diese Chance und hat sie verspielt. Ein trauriges, ein unrühmliches Ende. Wie will man danach eigentlich noch Künstler überzeugen, daß sie für Kassel etwas Besonderes leisten sollen? Als fällige Anerkennung gebührte Kirkeby der nächste Bode-Preis.

HNA 6. 2. 1986

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