Kunstkataloge sind nicht nur Handreichungen und Hilfsmittel für die interessierten Besucher, sondern immer auch Mittel der Selbstdarstellung von Ausstellungsmachern. Als Harald Szeemann 1972 zur documenta 5 den Katalog als dickleibigen Aktenordner vorlegte, der wissenschaftlich systematisiert war und ergänzt werden konnte, da stellte er ihn selbst als sein Kunstwerk vor. Es war ein Band für das Fachpublikum – mit theorielastigen Aufsätzen und umfangreichen, aber in sich abstrakten Bibliographien zu den einzelnen Künstlern.
Ähnlich verschlossen gaben sich die zwei schönen Katalogbände zur documenta 7 (1982). Sie lebten von den Bildern, geizten aber mit textlichen Erläuterungen, mit Hinweisen zu den einzelnen Werkbeiträgen. Ein Künstler, der sprachlich über sich nichts preisgeben wollte, blieb auch hier unzugänglich.
Manfred Schneckenburger und sein Team setzen hingegen auf Vermittlung. Zur documenta 6 (1977) hatte es einen dreibändigen Katalog gegeben, in dem, nach den Abteilungen gegliedert, die Künstler mit mindestens einem Beitrag im Bild, mit einer knappen Biographie und einer kurzen Werkbeschreibung bzw. Interpretation vorgestellt wurden. Das diente der Orientierung.
Auch in diesem Jahr ist der documenta-Katalog wieder dreibändig. Doch das Konzept, dem er folgt, ist völlig anders: Da die Zahl der beteiligten Künstler drastisch gesenkt wurde und die Performance-Leute nur als halbe Künstler geführt werden, konnte der Teil, der die Künstler und ihre Arbeiten porträtiert sowie eine erste Einführung vermittelt, auf einen Band – und zwar den zweiten (352 S.) – eingegrenzt werden. Das ist übersichtlich und sehr hilfreich.
Die theoretische Grundlegung der documenta wurde auf den ersten Band (168 S.) konzentriert. Hier findet man Aufsätze über den Entwurf der Ausstellung bis hin zu Abhandlungen über ihre einzelnen Abteilungen (Design, Architektur, Performance und Audiothek) sowie über die Ausstellungsarchitektur und -grafik. Spannend wird der Band dadurch, daß auch Aufsätze von Bazon Brock und Georg Jappe zur Kultur- und Kunstsituation darin zu finden sind, die der documenta Schneckenburgers kritisch gegenüberstehen.
Der dritte Band (320 S.) blieb dem freien Spiel der Künstler vorbehalten. Hier konnte jeder eine Doppelseite nach seinen Vorstellungen gestalten. Es ist ein reiner Bildband geworden, der sich ganz an die Sinne, ans Auge wendet. Nur selten wird etwas direkt mitgeteilt; durchweg werden Empfindungen und Erinnerungen angesprochen.
Ein hervorragend gedrucktes Buch – für Kenner. Aber alle Bände sind zusammengedacht und werden als Einheit in einer Kassette (broschiert 90 DM, gebunden 158 DM) angeboten und verkauft.
Der meist unaufhebbare Widerspruch, daß der Katalog zur Eröffnung vorliegen möge und dabei auch die in letzter Minute angelieferten Werke abbilden solle, ist von dem Kasseler Verlag Weber & Weidemeyer beispielhaft entschärft worden: Die drei Bände waren pünktlich fertig, und der entscheidende zweite Band kann weitgehend die Werke zeigen, die auch in der Ausstellung zu sehen sind. Der Katalog profitiert von der Routine, die sich der zuständige Verlagsleiter Walter Spötter bei der Produktion von documenta-Katalogen in mehr als 20 Jahren erworben hat.
Zur schnellen Orientierung ist im selben Verlag ein Führer durch die Ausstellung (112 S., 12DM) erschienen, der von dem Kritiker Günter Metken mit heißer Feder geschrieben werden mußte. Wenn auch nicht jede Erläuterung als letzte Wahrheit verstanden werden kann, hilft dies Büchlein an vielen Stellen weiter.
HNA 4. 7. 1987