Neuordnung und Öffnung

Bei der Eröffnung der Ausstellung „Aquarel1e“ im Kasseler Kunstverein wird sich am Donnerstag, 15 November, 20.15 Uhr, die Leiterin der Neuen Galerie, Marianne Heinz, mit der Eröffnungsrede auch außerhalb ihres Wirkungsbereiches vorstellen. Die heute 38jährige Kunsthistorikerin, die im Oktober, von der Kunsthalle Düsseldorf kommend, ihr Amt innerhalb der Staatlichen Kunstsammlungen übernommen hat, ist allerdings in Kassel keine Unbekannte: Hier volontierte sie von 1978 bis 1980 bei den Kunstsammlungen und erwarb so ihre ersten Erfahrungen im Umgang mit Sammlungen und Ausstellungen.

Die Möglichkeiten und Grenzen des großen Ausstellungsbetriebes lernte sie dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Düsseldorfer Kunsthalle kennen. Die viel beachtete Picabia-Ausstellung war ihre eigene Produktion.

Marianne Heinz weiß, daß im Moment in Kassel Unternehmungen solchen Umfangs nicht möglich sind. Da kann sie nur darauf hoffen, daß das Museum Fridericianum eines Tages mit den entsprechenden Finanzmitteln als Kunsthalle auf den Weg gebracht wird.

So denkt sie beim Thema Wechselausstellungen innerhalb der Neue Galerie eher an kleine Projekte, die aus dem Bestand entwickelt werden (etwa moderne Grafik aus dem Kupferstichkabinett). Sie wendet sich auch gegen das ausschließliche Vorzeigen von‚We1tmeistern lieber will sie mal Studenten oder Studentengruppen mit ihren Arbeiten vorstellen.

Über kurz oder lang müßte nach Ansicht der Museumsleiterin die Hängung der Bilder konzentriert und neu akzentuiert werden. Vor allem gelte es, so sagte sie in einem Gespräch mit unserer Zeitung, den zeitgenössischen Schwerpunkt im Obergeschoß sichtbarer werden zu lassen, die Corinths besser zu präsentieren und die Kasseler Maler des 20. Jahrhunderts in den Rundgang einzubinden.

Um die Neue Galerie stärker zur Stadt hin zu öffnen, würde Marianne Heinz gern Abendtreffs (mit Vorträgen) einrichten. Hinderlich für solche Pläne sind aber erst einmal die sich daraus ergebenden Aufsichtsprobleme.

Ein anderes Problem, das die Museumsleiterin beschäftigt, ist die Frage, ob es gelingt, wesentliche Teile der Sammlung Krätz für die Neue Galerie zu erhalten. Nach dem Tod von Helmut Krätz, der dem Museum 110 Gemälde, Skulpturen und Grafiken der 60er Jahre (Andre, Baselitz, Penck, Polke, Richter) als Leihgaben überlassen hat, sieht sich nun seine Frau gezwungen, einzelne Arbeiten zu verkaufen. Da alle diese Künstler derzeit einen hohen Marktwert haben, sind die Stücke nicht billig. Ein Ausverkauf der Sammlung würde den zeitgenössischen Teil der Neuen Galerie in sich zusammenbrechen lassen. Stadt und Staatliche Kunstsammlungen, die gemeinsam ihre Bestände in die Neue Galerie eingebracht haben, bemühen sich nun, durch Einzelankäufe ihr Interesse am Erhalt der Sammlung in Kassel zu unterstreichen. Vielleicht kann das Land hier weiterhelfen.

HNA 10. 11. 1984

Schreibe einen Kommentar