19. Jahrhundert im Abseits?

Schon wiederholt ist vorgeschlagen worden, die Neue Galerie an der Schönen Aussicht zu einem Museum der Moderne auzubauen. Die vom Land beauftragten Planer Jens Jakob Happ und Dieter Bogner haben, wie mehrfach berichtet, diesen Vorschlag zugespitzt. Ihre Idee jedoch, die Malerei des 19. Jahrhunderts in die Torwache umziehen zu lassen und dort in wechselnden Ausstellungen zu präsentieren, hat in der Öffentlichkeit Unruhe ausgelöst.

Wohl ist bekannt, dass die Bestände des 19. Jahrhunderts sich mit denen der großen Galerien nicht messen lassen können, doch sind sie nicht so geringwertig, dass sie ins Abseits geschoben werden sollten. Und die Torwache wäre für die Gemälde eine isolierte Insel, zumal das benachbarte Landesmuseum zu einem Haus der Landesgeschichte (Vor- und Frühgeschichte sowie Volkskunde und Kunsthandwerk) ausgebaut werden soll. Außerdem müssten bestimmte Hauptwerke jener Zeit – wie die von Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Eduard Gaertner, Carl Schuch, Johann Wilhelm Schirmer oder Gustave Courbet – ständig präsent sein.

Für Unruhe haben die Überlegungen auch unter den Leihgebern gesorgt. So denkt ein wichtiger Sammler, der nicht genannt werden will, darüber nach, seine Bilder in ein anderes Museum zu geben. Anfragen aus Berlin und Erfurt lägen, wie er sagt, schon vor.

Er kann sich sowieso schwerlich mit dem Gedanken anfreunden, dass wegen der Sanierung der Neuen Galerie und der Nutzung des Gebäudes durch die documenta 12 die Bilder für drei Jahre im Depot verschwinden sollen. Wenn es danach aber keine Rückkehr in die Galerie gebe, sondern nur gelegentliche Ausstellungen in einem Gebäude, das dafür nicht gebaut sei, sehe er für seine Sammlung in Kassel keine Zukunft.

Ein Abzug dieser Gemälde wäre für die Staatlichen Museen ein erheblicher Substanzverlust. Der müsste nicht nur verhindert werden, sondern es sollte versucht werden, die Bilder dauerhaft an Kassel zu binden.

Doch welche Alternativen ergeben sich? Die naheliegendste Lösung wäre, ausschließlich die Malerei des 18. Jahrhunderts (von Hackert bis Tischbein) aus der Neuen Galerie herauszulösen und in die Gemäldegalerie in Wilhelmshöhe zu integrieren. Dann bliebe das Museum an der Schönen Aussicht ein Haus für die Kunst vom 19. Jahrhundert bis zu Gegenwart.

Die andere Möglichkeit bestünde darin, auch die wesentlichen Werke des 19. Jahrhunderts nach Wilhelmshöhe zu geben (das würde dort wohl aber für erhebliche Platzprobleme sorgen). Dann allerdings wäre es denkbar, mit jenen Bildern in die Torwache zu gehen, die von der Thematik landschaftliche Bezüge zu Nordhessen haben – wie die Willingshäuser Malerkolonie
– und die somit für die Volkskunde Anknüpfungspunkte bieten.

HNA 20. 6. 2005

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