Dank einer Stiftung von Friedel Förster erhält die Neue Galerie 210 Bilder von dem Maler Karl Leyhausen (1899 1931), so daß das Museum jetzt über das Gros des Leyhausen-Werks verfügt.
Wer das Bild einmal gesehen hat, vergißt es kaum wieder: Gleich dreifach hat sich Karl Leyhausen 1930 selbst porträtiert. Vorne steht er selbstbewußt-kritisch blickend als Maler mit Pinsel und Palette. Hinter dem Künstler schauen die beiden anderen Leyhausens als Vertreter des Bürgertums hervor. Welche Person war er in Wahrheit? Das zum Schmunzeln anregende Bild läßt hinter dem Maskenspiel Selbstzweifel erkennen. Ein Jahr später nahm sich Leyhausen 3ljährig in Paris das Leben.
Seine künstlerische Schaffenszeit umfaßte gerade ein Jahrzehnt. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, mußte eine in Berlin laufende Leyhausen-Ausstellung geschlossen werden. Auch posthum blieb dem Maler also der große Erfolg versagt.
Es galt erst einmal, Leyhausens Werke durch die Zeit zu retten. Dies gelang Friedel Förster und deren in Berlin lebenden Schwester Klot Liebnitz. Friedel Förster, die viele Jahre eine Textilklasse an der Werkkunstschule leitete, hatte mit Leyhausen und Arnold Bode zusammen an der Kasseler Akademie studiert. Sie blieb mit Leyhausen in engem Kontakt, ihre Schwester schloß Freundschaft mit dem Maler. Gemeinsam brachten sie den Großteil des Leyhausen-Nachlasses durch die Nazi- und Kriegszeit.
Nun, nach dem Tod ihrer Schwester, geht es der heute 93jährigen Friedel Förster darum, Leyhausens Werk öffentlich zugänglich zu sichern und damit auch eine Blütezeit der Akademie sichtbar werden zu lassen: Mit Hilfe von Werner Neusel gründete sie die Friedel Förster und Klot Liebnitz-Stiftung, die der Erhaltung und Präsentation des Nachlasses Karl Leyhausen durch die Staatlichen Museen Kassel als Treuhänderin dient.
Die Neue Galerie plant auf Grund dieser Stiftung für März nächsten Jahres einen Katalog mit einem Bestandsverzeichnis sowie eine Leyhausen-Ausstellung. Bislang verfügte die Neue Galerie über elf Gemälde des Künstlers (davon zwei Leihgaben). Nun kommen hinzu: 44 Gemälde, 57 Zeichnungen, 24 Aquarelle, 65 Akademiestudien, elf Teppichentwürfe, sechs Architekturzeichnungen und je zwei Grafiken und Plakatentwürfe.
Für die Neue Galerie bedeutet der Erhalt der Stiftung eine großartige Bestandserweiterung im Bereich der Kunst der 20er Jahre. Bekannt wurde Leyhausen vor allem durch seine dunklen, magisch realistischen Stilleben, Landschaften und Porträts. Durch den Zugwinn werden auch ganz andere Seiten erkennbar: Von seiner letzten Südfrankreich-Reise brachte Leyhausen ungewohnt heitere Bilder mit expressionstisch explodierenden Farbe mit. Dann wieder schuf 1930/31 fast grafisch gestalteltete Gemälde mit bitterbösen, fast karikierenden Akten und Porträts. Er muß noch richtig entdeckt werden: Beispielsweise verbarg sich ein skeptisches Porträt des jungen Arnold Bode auf der Rückseite einer hessischen Landschaft von Karl Leyhausen.
HNA 6. 8. 1994