Eigentlich war alles ganz anders gedacht: Jan Hoet sollte im vorigen Herbst in einer Pressekonferenz seine Mannschaft für die documenta 9 vorstellen und gleichzeitig einige Ideen seiner Ausstellungsplanung vortragen. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, hatte man in Kassel den Termin ausgeguckt, zu dem der amerikanische Künstler Edward Kienholz den Arnold- Bode-Preis erhalten sollte. So hätte Kienholz einen größeren Pressebahnhof bekommen und der Bode-Preis wäre als indirekter documenta-Preis in Erinnerung gebracht worden.
Die Rechnung war ohne den Künstler gemacht worden, denn Kienholz hatte zur gleichen Zeit ganz andere Termine in den USA. Noch heute wartet die Stadt auf eine Mitteilung des Künstlers, wann er denn die Auszeichnung entgegennehmen wolle. Es rächt sich, daß man hier noch immer nicht eine feste, auch für die Öffentlichkeit wahrnehmbare Form der Künstlerehrung (wie etwa in Goslar) gefunden hat.
Mit dem Termin der Preisübergabe platzte auch der für die documenta-Pressekonferenz. Wahrscheinlich war Jan Hoet gar nicht unfroh, daß er noch nicht in den Ring steigen mußte. Es gab ja auch gar keinen Zwang, so frühzeitig die Umrisse eines Konzepts zu skizzieren.
Doch nun will der künstlerische Leiter der documenta 9 erst einmal gar keine Pressekonferenz geben. Vielmehr lädt er für den 3. Februar, 18 Uhr, zu einem Marathon-Gespräch ein: Um für seine Konzeptentwicklung möglichst offen zu bleiben, will er mit seinen Mitarbeitern Pier-Luigi Tazzi, Denys Zacharopoulos und Bart De Baere über die zeitgenössische Kunst sprechen und anhand von Dias über Atelierbesuche berichten. Auf diese Weise soll der Weg, auf dem sich Hoets Team der documenta nähert, anschaulich werden.
Eine sympathische, eine typisch Hoetsche Idee. Sie hat allerdings einen Fehler und der wiegt schwer: Das Marathon-Gespräch veranstaltet der Museumsmann als ein persönliches Heimspiel – in seinem Genter Museum für zeitgenössische Kunst. Die von der documenta GmbH verbreitete Begründung: er wolle uns als seine Gäste begrüßen, bevor er seinen Sitz in Kassel nimmt.
Hatte er sich in Gent nicht bereits im April mit seiner glanzvollen Schau Open mind verabschiedet, um sich auf den Weg nach Kassel zu machen? Glaubt er etwa, in Kassel außerhalb der documenta nicht das rechte Forum für sein Gespräch zu haben?
So wird eine kleine Kunstgemeinde von Kassel nach Gent und wieder zurückfahren, um dem Geist der nächsten documenta nachzuspüren. Das ist widersinnig. Natürlich muß die documenta auch im Ausland mit Presseterminen präsent sein – doch das Startsignal muß immer von Kassel ausgehen. Das Fridericianum wäre ein weit besserer Ort für ein solches Gespräch gewesen oder der Kasseler Kunstverein, der Hoet sowieso für den 6. Februar zu einem Vortrag eingeladen hat.
HNA 17. 1. 1990