Die Vorbereitungen für die documenta 9 (13. Juni – 20. September 1992) laufen auf Hochtouren. Unter dem Titel Unterwegs zur documenta 9 wollen wir in lockerer Folge Personen und Projekte vorstellen und den Diskussionsstand der documenta spiegeln.
Wortreich und enthusiastisch hatte documenta-Leiter Jan Hoet wieder einmal seine Gedanken und Pläne vorgestellt, hatte erste Künst1er den Räumen in Fridericianum, documenta-Halle und Neuer Galerie zugeordnet und hatte davon geschwärmt, daß die documenta 9 die Diskussion über Kunst wieder möglich machen solle. Seine drei Zuhörer im Zwehrenturm hatten freundlich, aber distanziert zugehört. Schließlich aber meinte Johannes Cladders, der frühere Direktor des Mönchengladbacher Museums, ebenso verbindlich wie klar: Wäre ich gefragt worden, hätte ich eine andere documenta gemacht. Ich kann nicht hinter der Künstlerliste stehen.
Einen Moment lang schaute Jan Hoet irritiert, dann aber sprach er in seiner werbenden Weise weiter, als hätte er nur Zustimmung geerntet. Wo in anderen Fällen das Ende der Diskussion erreicht worden wäre, ging sie hier erst richtig los: Zweieinhalb Tage lang diskutierte Hoet mit seinen Ratgebern, den (ehemaligen) Museumsleitern Cladders, Franz Meyer (Zürich) und Henry-Claude Cousseau (Nantes), über seine Vorstellungen von Kunst, sein Konzept, seine Künstlerliste und seine Raumvisionen. Selbst Vermittlungsfragen wie Katalog und Plakat wurden nicht ausgespart.
Ganz am Anfang hatte Franz Meyer wissen wollen, warum dieser Rat der Weisen denn einberufen worden sei, da doch Hoet nicht als Fragender auf sie zukam, sondern einen bis zur Raumverteilung schon fertigen Plan vorlegte. Cladders wischte am Ende die Zweifel weg: Hoet bereite eben die documenta vor, wie er stets an Ausstellungen herangehe – indem er immer wieder Gespräche suche. So sei die Begegnung genau verlaufen, wie er sie sich gedacht habe.
Und Hoet auf die Frage, ob er von der Begegnung mit seinen Ratgebern profitiert habe: Er habe nicht profitiert, sondern die documenta. Viele Gedanken seien genauer fundiert worden, manches sei klarer geworden, anderes korrigiert worden. Schließlich hätten seine Gesprächspartner ja auch das Publikum und dessen Fragen vertreten.
So schließt sich der Kreis – vom documenta-Marathon über Diskussionsrunden mit Künstlern bis zu diesem Treffen: Jan Hoet braucht das Gespräch, nicht weil er ratlos wäre, sondern weil er die Reibung sucht – zur Überprüfung der eigenen Position.
HNA 8. 10. 1991