Bei der Kasseler documenta GmbH würde man sich freuen, käme es zum Prozeß. Denn dann, so ist man bei der Geschäftsführung der internationalen Kunstausstellung sicher, würde für alle Zeiten gerichtlich festgeschrieben, daß die subjektive Künstlerauswahl zum Prinzip einer solchen Kunstschau gehört.
Angestrengt hat den wohl einmaligen Prozeß ein Künstler, der erst durch diesen Vorgang bekannt wird – der im mittelhessischen Gladenbach beheimatete Werner Hahn (52). Er hatte sich erst zur documenta 8 und nun zur documenta 9 erfolglos beworben. Die schriftliche Absage von documenta-Leiter Jan Hoet mochte er nicht hinnehmen und schickte eine Beschwerde an den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Eichel mit dem Verlangen nach einer Demokratisierung der documenta.
Hoet habe keine objektive Auswahlkriterien. Die Subventionen von Stadt, Land und Bund dürften aber nicht der öffentlichen Kontrolle entzogen werden. Für Hahn herrschen bei der documenta-Auswahl Selbstinszenierung und Filz. Auch Eichel wies das Ansinnen zurück.
Bei der documenta nimmt man die Unterstellungen gelassen und amüsiert hin, denn alle (anscheinend) demokratischen Auswahlverfahren haben durchweg zu unbefriedigenden und qualitativ schlechten Ergebnissen geführt. So gilt für die meisten internationalen Ausstellungen heute der Grundsatz, daß der oder die künstlerischen Leiter das Recht zur subjektiven Auswahl haben. Darum kann sich auch nicht der einzelne Künstler um die Teilnahme an einer documenta oder vergleichbaren Ausstellung (,Zeitgeist, Metropolis)
bewerben.
HNA 30. 8. 1991