Der Meister wuchtiger Linien

Der baskische Künstler Eduardo Chillida, hauptsächlich bekannt durch seine Großplastiken, feiert morgen seinen 75. Geburtstag.

Erst sollte Eduardo Chillida Architekt werden. Der passionierte Fußballspieler, der für seinen Heimatverein San Sebastian im Tor gestanden hatte, folgte dem Wunsch des Vaters. Aber nach drei Jahren brach er das Studium ab und widmete sich seiner anderen Leidenschaft – der Zeichenkunst und der Skulptur. Etwas mehr als zehn Jahre später hatte er den Durchbruch geschafft: Auf der Biennale in Venedig erhielt er 1958 den Großen Preis für Skulptur.

Seitdem gehört der Baske zu den konstanten Größen in der internationalen Kunstszene. Seine Großskulpturen stehen auf Plätzen in aller Welt. Am Sonntag wird Chillida 75 Jahre alt.

Skulptur ist Form im Raum. Das plastische Werk unterscheidet sich dadurch vom flächigen Bild, daß es nicht nur Raum in Anspruch nimmt, sondern erst durch den Raum seine Gestalt entfalten kann. Während die traditionelle Skulptur ein in sich geschlossener Körper war, sprengte die Kunst des 20. Jahrhunderts die Form auf.

Was der Engländer Henry Moore mit seinen elegant geformten Durchblicken durch seine figürlich-körperlich verstandenen Skulpturen begonnen hatte, radikalisierte Chillida – vornehmlich in Eisen und Stahl. Er ließ aus massiven Sockeln wuchtige Linien hervorsprießen, die so in den Raum ausgreifen, daß sie offene Körper umreißen. Chillidas Werk lebt aus dem schier grenzenlosen Wechselspiel von sich öffnender und schließender Form.

Doch oft blieb der massive Block Ausgangspunkt für Chillida – wenn auch nur als Sockel. In einer Werkreihe trieb er seinen Formwillen in das Innere der Blöcke hinein und entwickelte aus dem Spannungsverhältnis von roher Gestalt und perfekt geschliffener konstruktiver Form Arbeiten mit überraschenden Einblicken. Von diesen plastischen Stücken führt eine direkte Linie zu seinem zeichnerischen Werk.

Chillidas größtes künstlerisches Vorhaben ist es, auf der Kanaren-Insel Fuerteventura den Tindaya-Berg auszuhöhlen und in ein Kunstwerk zu verwandeln – gegen den Widerstand von Umweltschützern.

Das Königin-Sofia-Museum in Madrid ehrt Chillida zum 75. mit einer großen Retrospektive, die danach in das Guggenhein-Museum in Bilbao wandert.

HNA 9. 1. 1999

Schreibe einen Kommentar