Als 1980 aus Anlaß der Geburtstagsfeier für den Kölner Dom zeitgenössische Künstler eine Ausstellung Mein Kölner Dom bestritten, war der in Amerika lebende Bulgare Christo
mit einem Verpackungsvorschlag für den Dom dabei. Die äußerst reizvolle Collage gab ein schönes Plakatmotiv ab, war aber ohne rechte Spannung.
Denn: Es hatte zu keinem Zeitpunkt die ernste Absicht gegeben, den Dom tatsächlich zu verpacken.
Ganz anders verhält es sich bei den Zeichnungen, Collagen und Modellen, die Christo zum Projekt Verpackter Reichstag angefertigt hat: Sie wirken aufregend und explosiv, weil sie nicht nur ästhetischer Entwurf, sondern Dokumente eines Ringens, Zeugen eines bisher unerfüllten Traumes sind. Erste Zeichnungen zu dem Projekt entstanden 1973; vier Jahre später aber lehnte der damalige Bundestagspräsident Carstens (als Hausherr des Berliner Reichstagsgebäudes) den Verpackungsplan ab, dessen Verwirklichung etwa 1,5 Millionen Mark gekostet hätte.
Gerade weil die Verpackung des massigen, symbolträchtigen Reichstages (der unmittelbar an der Grenze zu Ostberlin steht) auch ein Politikum wäre, gibt sich Christo noch nicht geschlagen. Für 14 Tage will er den Bau unter 40 000 Quadratmeter Plane verschwinden und damit in neuer Gestalt hervortreten lassen.
Anläßlich einer Ausstellungseröffnung im Frankfurter Städel verkündete Christo jetzt, daß er nach dem Reichstag kein Gebäude mehr verpacken wolle; er werde sich dann anderen Projekten (wie schwimmenden Inseln) zuwenden.
Die Frankfurter Ausstellung, die bis 12. April zu sehen ist, war zuvor in Köln und läuft unter
dem Titel Christo Projekte in der Stadt. Alle wesentlichen Pläne, ob umgesetzt oder nur träumt, werden hier dokumentiert: die Luftverpackungen wie die zur Kasseler documenta 4 die Gebäude-Verhüllungen und die Vorhang-Projekte. Es fällt schwer, sich der Faszination der Ideen zu entziehen. Vor allem aber lernt man hier den Zeichner Christo schätzen, der einem eine neue Formen- und Volumen-Sicht eröffnet.
HNA 5. 2. 1982