Seine Bilder gehören zu den berühmtesten der Kunstgeschichte und erzielen, wenn sie überhaupt zum Verkauf stehen, Rekordsummen. Paul Cézanne gilt uns als der Ausnahmemaler
schlechthin, der mit seiner Art der Sicht auf die Dinge und mit seinem Malstil zu einem Begründer der Moderne geworden ist.
Trotzdem müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, dass Cézanne Mühe hatte, anerkannt zu werden, dass seine Bilder über Jahre die heftigsten Kritiken ernteten und dass er folglich von Selbst- zweifeln geplagt war: Sah er die Natur falsch, oder konnte er das, was er wahrnahm, nicht überzeugend umsetzen? Konnte er etwa einen Apfel nicht richtig malen?
Die Zweifel mögen ein Grund dafür gewesen sein, warum er sich in seinen Gemälden immer wieder mit den gleichen Motiven auseinandersetzte – mit Apfel-Stillleben und mit dein Blick auf den Berg Mont St. Victoire. Auf jeden Fall mied er die Hauptstadt und blieb in seiner Heimatstadt Aix-en Provence, in der er vor 100 Jahren starb.
Im Rückblick scheinen die Missverständnisse, denen Cézanne ausgesetzt war, unverständlich. Doch die Macht der Akademien und Salons waren im Paris des späten 19. Jahrhunderts so groß, dass Künstler, die von der offiziellen Linie abwichen, keinen Boden unter die Füße bekamen. Über etliche Jahre teilte Cézanne das Schicksal der anderen Impressionisten, doch die Außenseiterrolle, die ihm zufiel, war nur mit der van Goghs vergleichbar, der heute genauso ein Star des Kunstmarktes wie Cézanne ist.
Vor zwei Jahren hatte das Essener Folkwang-Museum in einer großartigen Ausstellung Cézannes Werk in Beziehung zu den Bildern seiner Zeitgenossen und Nachfolger gestellt. Durch diese Gegenüberstellung wurde seine eigentliche Leistung sichtbar: Wie er unter dem Eindruck des Lichts die Palette aufhellte, wie er die Malweise selbst sichtbar werden ließ und die Formen ausschließlich aus der Farbe heraus modellierte und dabei neue Strukturen entwickelte.
Paul Cézanne überwand, obwohl er den traditionellen Motiven verpflichtet blieb, die Illusion der Malerei, die plastische Räume vorspielte. Nüchtern lenkte er den Blick auf die Tatsache, dass er auf einer Fläche Farbe gestaltete. So wurde er zu einem Vorläufer der Kubisten wie Picasso und Braque, im weiteren Sinne auch der sich selbst bestimmten, abstrakten Malerei.
Erst in seinen letzten Lebensjahren gewann Cézanne vor allem unter Kollegen eine gewisse Anerkennung: In einem Gemälde von Maurice Denis aus dem Jahr 1900 sind die Mitglieder der Künstlergruppe Nabis zu sehen, wie sie bewundernd vor einem Stillleben von Cézanne stehen. Noch vor seinem Tod verkaufte er auch erste Bilder nach Deutschland.
HNA 21. 10. 2006