Im Frühsommer 2000 wird die Gemäldegalerie Alte Meister im Kasseler Schloß Wilhelmshöhe
wiedereröffnet. Die Hauptwerke sind auch jetzt zu sehen; 26 von ihnen stellen wir vor.
Ein dramatischer Moment: Der gekreuzigte und gestorbene Christus kehrt in das Leben zurück. Weder können ihn die Mauern und Steine des Grabes daran hindern noch die Wachen, die abgestellt worden sind. Doch der 37jährige Lucas Cranach (1472 – 1553) nimmt seiner kleinen Auferstehungsszene (38 x 25,8 cm) jede Dramatik. Die Soldaten sind weder aufgeregt noch entsetzt; drei von ihnen schlafen noch, und der vierte schaut ungläubig auf den Auferstandenen. Auch Christus selbst strahlt Ruhe aus. Freundlich steht er zwischen den Soldaten, und sein rot gewandeter Körper leuchtet noch heller als die hinten aufgehende Sonne.
Diese Auferstehung war kein Gewaltakt. Der gläserne Stab, den Christus in seiner linken Hand hält, ist ein untrüglicher Beweis dafür: So wie das Licht und die Blicke das Glas durchdringen können, so kann Jesus durch die Welt hindurchgehen und auch Mauern überwinden. Also ist hier kein Fels vom Grab gerollt worden, sondern auf der Mauer sind noch die unverletzten Siegel zu erkennen. Das bedeutet, daß Cranach das oft nur körperlich verstandene Ereignis auf die geistig-religiöse Ebene hebt. So wird Cranachs Auferstehungsdarstellung als ein Gegenbild insbesondere zu Grünewald angesehen.
Das kleine Altarbild entstand in einer Zeit, in der sich Cranachs Malstil deutlich wandelte. Noch einige Jahre zuvor hatte er seine Kompositionen ungestümer und expressiver gestaltet. Offensichtlich hatte der Maler seine Sturm- und Drang-Zeit überwunden und war, wie einige Kunsthistoriker glauben, unter dem Einfluß italienischer Künstler ausgewogener geworden. Der Cranach-Forscher Max Friedländer verbucht diesen Wandel als einen Verlust an Leidenschaftlichkeit und Genialität
Ebenso gut kann man die Entwicklung als eine Reifung betrachten, die Cranach zu einem klassischen Stil führte.
Wie die großen AltartafeIn ist auch diese kleine dreiflügelig. Links und rechts sind die Heiligen Barbara und Katharina zu sehen, die durch Zeichen ihres Leidens begleitet werden: zu Barbara gehört der Turm als Symbol ihrer Gefangenschaft, bei Katharina verweisen Schwert und Rad auf die Folter, die sie erleiden mußte. Barbara gilt als Fürbitterin für eine gute Sterbestunde, Katharina als Patronin der Kranken.
Auf den Außenseiten der Flügel sind die Wappen des hessischen, Landgrafen Wilhelm II, der 1509 starb, und seiner Frau Anna von Mecklenburg zu sehen. Während man früher davon ausging, das Bildwerk in Form eines Reisealtars sei als Tröstungs- und Genesungsbild bei Cranach in Auftrag gegeben worden, nimmt man heute an, es sei erst nach dem Tod Fürsten bestellt worden.
HNA 12. 9. 1999